Gesundes Arbeiten

Wenn dein Büro leise mit dir spricht …

15. September 2020 von Volker Zappe
aktualisiert am 
15. September 2020

Wir alle wollen selbstbestimmt sein. Spätestens wenn wir pubertär gegen alles und jeden aufbegehren, machen wir der Welt klar: So nicht, vor allem nicht mit mir. Was Eltern flüggewerdender Teenager durchaus in den Wahnsinn treiben kann, ist das Natürlichste auf der Welt: Wir lernen unseren Kopf zu benutzen und die Folge ist, dass die Natur uns in die Lage versetzt, Dinge, die uns einfach so vorgesetzt werden, zu hinterfragen und wohlmöglich auch zu verändern. Was hat das aber mit dem Büro zu tun? Sie werden in der folgenden Geschichte sehen, wie es mit der Selbstbestimmung in manchen Neubauten bestellt ist.

Die pfeifen auf die Sonne

Vor nicht allzu langer Zeit waren wir in einem nigelnagelneuen Bürogebäude mit reichlich vielen Stockwerken zu Besuch. Mit Stolz sprach der Projektentwickler bei der Vorstellung seines Projektes von einer großen Menge Technik, die hier verbaut sei. Allerhand Systeme zum Heizen und Kühlen, Steuerungssysteme und natürlich ein außen liegendes Verschattungssystem. Sündhaft teuer und selbstverständlich alles vollautomatisiert.

Etwas später saßen wir dann bei herrlichem Sonnenschein unten in der smarten Cafeteria des Gebäudes und erfreuten uns des schönen Frühlingstages. Aber nicht lange. Denn irgendwo im Gebäude hatte ein kleiner Sensor beschlossen, dass dieser Tag jetzt entschieden zu sonnig und zu hell ist. Die Folge war, in allen Etagen senkten sich völlig automatisch die Jalousien, um der Sonne den Kampf anzusagen. Wir in der Cafeteria staunten nicht schlecht, als sich in unseren schönen Blick nach draußen garstige Lamellen schoben und den Raum verdunkelten. Umso mehr staunten wir aber, als nach dem Herunterfahren der Jalousie ein anderer kleiner Sensor in der Cafeteria fand, dass es nun trotz 100.000 Lux draußen hier drin wirklich zu dunkel sei. Er hatte Recht. Folge: wiederum automatisch schaltete sich auf der ganzen Etage das Kunstlicht ein. Trotz allerschönsten Wetters da draußen …

Wer bestimmt hier eigentlich?

Hätten Sie in dem Bürogebäude eine Umfrage gestartet, so hätte wohl niemand für eine Vollverdunkelung gestimmt. Natürlich nicht. Denn jede Nutzerin und jeder Nutzer möchte darüber selbst bestimmen können, ob es für sie oder ihn nun zu hell, zu sonnig oder zu sonst was in seinem Büro ist. Automatisierung wird bei vielen Gebäuden leider als eine Art Selbstzweck begriffen. Offenbar trauen die Macher dieser Gebäude ihren „Insassen“ nur wenig zu. Aber möchten wir wirklich in dieser Weise von einer Technik fremdbestimmt werden, auch wenn die Absicht grundsätzlich gut gemeint ist? Da haben wir Fenster, die wir öffnen könnten, aber weil sie die komplizierte Klimatechnik stören könnten, sind sie kurzerhand dauerhaft abgeschlossen. Es kommt ja Frischluft durch eine technische Anlage in den Raum. Unsere spontanen Bedürfnisse werden dem technischen System untergeordnet. Wollen wir das wirklich so haben?

Wir können auch anders

Automatisierung sollte den Menschen dienen, sie aber nicht bevormunden. Bei BOB-Bürogebäuden verfolgen wir daher zwei ganz andere Strategien. Erstens: Automatisierung ist bei uns nicht „Gesetz“. Automatisierungsvorgänge können von den Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern jederzeit übersteuert werden oder laufen dezent im Hintergrund. Und wo Automatisierung nicht sinnvoll eingesetzt werden kann, wie im Falle der Verschattung, gibt es sie eben auch nicht.

Bei der zweiten Strategie sind wir wieder nahe bei den oben beschriebenen Teenagern: BOB macht vorsichtig Vorschläge, wie man es denn besser machen könnte, überlässt aber dem Nutzer und der Nutzerin die Entscheidung. Wir nennen das Datensensitive Empfehlung, wobei wir nicht nur mit den Daten, sondern vor allem mit den Nutzern sensibel umgehen. Lassen Sie uns sehen, welche Daten bei BOB hier mit im Spiel sind.

Millionen von Daten

Grundlage für unsere zweite Strategie sind Daten: Sehr viele Daten. Im Laufe eines Jahres können bei BOB da schon einige Millionen zusammenkommen: Wir messen die Lichtstärke des Tageslichts, die Feuchte und unsere Wetterstation auf dem Dach erfasst gleich eine ganze Reihe von Informationen wie z.B. die Windrichtung oder Windgeschwindigkeit. Aber uns interessieren nicht nur die Echtzeitdaten, sondern auch die Daten von morgen. Das Zukunftswetter besorgen wir digital vom Deutschen Wetteramt. Im BOB-System steckt also auch immer eine Prise Wettervorhersage. Wenn Sie abends vor der Tagesschau sitzen, befinden sich die Wettervorhersagedaten, die Sie dort auf der Wetterkarte sehen, bereits in der Steuerung von BOB. Dies ist aber noch nicht alles, denn auch die Räume im BOB sind unter genauer Beobachtung. So weiß das System genau, wie hoch die C02-Konzentration gerade ist und ob die Frischluftzufuhr ausreicht. Jede Etage ist in mehrere Zonen eingeteilt, in denen wir ständig Temperaturen messen. Die vielen Zahlenreihen sind dann die Basis für unsere Nutzungsempfehlung. Es versteht sich von selbst, dass es hier einer intelligenten Verknüpfung bedarf, um lebensnahe und praktische Bedienungsvorschläge zu machen.

Mein Büro macht Vorschläge

Bleiben wir beim Beispiel eines strahlendhellen Frühlingstages und eines Sonnenstandes, der die Menschen im BOB möglicherweise bei der Arbeit blenden könnte. Bei BOB wird hier die Nutzeroberfläche BOB.i aktiv. BOB.i ist eine browserbasierte Software, mit der Sie Informationen über Ihr Büro erhalten können und mit der wir Ihnen manch nützliche Funktion zur Verfügung stellen. Bei der Datensensitiven Empfehlung folgt nach dem Messen der Sensoren nicht einfach ein Steuerungsbefehl, wie das bei vollautomatisierten Büros der Fall ist. BOB-Sensoren erzeugen Daten, aus denen das System wie beschrieben Bedienungsvorschläge für den Nutzer oder die Nutzerin formuliert. In unserem Beispiel zeigt Ihnen das System, dass die Sonneneinstrahlung sehr stark ist und dies möglicherweise zur Blendwirkung oder aber zur Überhitzung des Büros führt. Der Vorschlag des Systems: die BOB-Innenjalousie nach unten fahren und die BOB-Speziallamellen so einstellen, dass die Sonne nicht blendet! Diese Jalousie ist so konstruiert, dass man trotzdem noch nach draußen schauen kann, um den Sonnenschein zu genießen oder sogar Sonnenlicht an die Decke reflektiert wird, um das Tagelicht zum Arbeiten auszunutzen. Aber wie gesagt: Das System macht Vorschläge. Sie dürfen selbstbestimmt selbst machen – können es aber auch selbstbestimmt einfach lassen wie es ist.

Einfach mehr öko sein

Ein anderes Beispiel: BOB hat als energieeffizientestes Bürogebäude Deutschlands eine sehr kleine Technik mit sehr geringem Energieverbrauch. Damit das so richtig funktioniert, benötigen wir die Unterstützung von allen Menschen, die in unseren Büros arbeiten. So ist es z.B. in einem BOB nicht möglich, ganzjährig nur mit einem T-Shirt bekleidet zu arbeiten. Die Temperaturen, die man dafür benötigt, wären viel zu energiefressend und wahrscheinlich wäre das auch vielen anderen deutlich zu warm.  Auf wechselnde Temperaturen gerade in den Übergangszeiten kann man gut mit Kleidung reagieren und damit auch Öko-Bewusstsein zeigen. Nach dem Zwiebelprinzip kommt daher mal mehr und mal weniger Kleidung ins Spiel. Auch hier macht Ihnen BOB.i Vorschläge. Denn durch die BOB-Wettervorhersagesteuerung kennen wir die Außentemperaturen Ihres Arbeitstages von morgen schon heute. Ob Sie im Hochsommer nun am nächsten Tag doch den Pelzmantel benötigen, erfahren Sie spätestens von BOB.i.

Beratung statt Bevormundung

Wir sind alle erwachsen und lassen uns nicht gern bevormunden. Stark automatisierte Systeme in Gebäuden tun dies leider nicht selten. Das führt dazu, dass sich die Menschen irgendwann als Störfaktoren in Gebäuden empfinden und von den eigentlich ja mit guter Absicht eingebauten Funktionen nur genervt sind. Auch BOB ist ein System, das gestört werden kann. Aber wir überlassen es den Menschen, darüber zu entscheiden, was sie tun möchten. So ärgert ein offenes Fenster bei minus 20 Grad Außentemperatur durchaus das System, aber es ärgert nach kurzer Zeit noch mehr den Nutzer, dem irgendwann zu kalt ist. Der will das Fenster dann freiwillig wieder schließen. Die Datensensitive Empfehlung von BOB.i wäre an diesem Tag eindeutig: Lass heute lieber das Fenster zu, denn es ist kalter Winter. Klingt vernünftig, oder?

 

Volker Zappe, Leiter Unternehmenskommunikation der BOB AG

Über den Autor Volker Zappe

Wie können wir Umwelt und Technik so miteinander in Einklang bringen, dass auch künftige Generationen nachhaltig und zufrieden leben können? Und wie gestalten die heute agierenden Menschen ihre Verantwortung für dieses Ziel. Diese Fragen begleiten Volker Zappe bereits seit mehr als drei Jahrzehnten. Zunächst arbeitete er als Ingenieur im Bereich Umwelt- und Landschaftsplanung, danach als Kommunikator und Autor in unterschiedlichen Bereichen. Seit acht Jahren wirkt er daran mit, die wunderbare Idee des Balanced Office Buildings und die damit verbundenen Themen einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Er schreibt hier über Nachhaltigkeit und Klimaschutz, neue Arbeitswelten und New Work, über Technikfragen und Wirtschaftlichkeit.