Wirtschaftlichkeit

Was hat das Bahnchaos mit Immobilien zu tun?

27. November 2023 von Dr. Bernhard Frohn
aktualisiert am 
27. November 2023

In der letzten Woche war es wieder soweit. Erst ein Oberleitungsschaden und dann ein brennender ICE mit der Folge der Sperrung der Schnellstrecke von Köln nach Frankfurt führten dazu, dass ich auf einer Strecke, für die ich sonst 2,5 Stunden benötige, 6,5 Stunden unterwegs war. Das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 48 km/h und ist damit nur unwesentlich schneller als die Geschwindigkeit, die die Radfahrer bei der Tour de France erreichen. In 6,5 Stunden hätte ich übrigens auch nach Dubai fliegen können. Als ich eine Stunde lang am Hauptbahnhof in Köln stand, war die häufigste automatisierte Durchsage von allen Gleisen: „Wir bitten um Entschuldigung.“ Na also, Digitalisierung und Automatisierung funktionieren. Nach einer Stunde habe ich dann auch sämtliche Entschuldigungen angenommen. Ich kündige auch gleich an, dass ich auch weiterhin Bahn fahren werde. Es geht mir hier also nicht um ein Deutsche Bahn-Bashing, sondern es geht mir um die Beschreibung eines „Langzeitexperimentes“, dass wir live beobachten und an dem wir teilhaben dürfen.

Träge Systeme und versäumte Sanierungen

Was ist die Ursache für dieses Chaos bei der Bahn? Erwarten Sie bitte keine fundierte Analyse, ich bin kein Bahnexperte. Unstrittig dürfte aber sein, dass die Privatisierung Anfang der 1990er Jahre und die anschließende „Optimierung“ der wirtschaftlichen Ergebnisse dazu geführt haben, dass Investitionen und Sanierungen gnadenlos in die Zukunft verschoben wurden. Im Vordergrund des damaligen Managements der Deutschen Bahn stand der Börsengang und damit die Erschließung neuer Kapitalquellen. Die Börse – gemeint sind natürlich wir Anleger -, erwartet aber quartalsweise immer besser werdende Ergebnisse, damit wir die Aktie kaufen und halten. Kein Jahr mit schlechteren Zahlen würde die Masse der Anleger aushalten. Also auch das Bashing des damaligen Managements der Deutschen Bahn soll von mir hier nicht betrieben werden. Das ist mir zu einfach und es trifft auch nicht die Kernursache. Wenn wir Manager mit einem 5-Jahresvertrag ausstatten und die Boni an die Qualität der Bilanzen knüpfen, was erwarten wir dann für Ergebnisse?

Jetzt bekommen wir die Quittung, obwohl die Fehler schon teilweise 30 Jahre zurückliegen. Systeme wie eine Deutsche Bahn sind komplex und daher träge. Wenn der Betrieb komplett aufrecht erhalten bleiben soll, dann kann man nicht einmal eben Sanierungsmaßnahmen in beliebiger Anzahl initiieren. Es dauert also Zeit, bis alte Fehler behoben sind.

Wenn Sie weitere Beispiele für versäumte Investments und Sanierungen suchen wollen, dann fahren Sie ein bisschen in der Gegend herum und zählen Straßenbaustellen. In meiner beschaulichen Heimatstadt Aachen gibt es aktuell einige hundert (!) Baustellen, die aus Brücken, Kanalarbeiten und vielen weiteren dringend notwendigen Sanierungsmaßnahmen bestehen. Sie finden kaum eine Verkehrsbeziehung ohne Baustelle. Dabei muss betont werden, dass dieses Nachholen von Sanierungsmaßnahmen zunächst das Ziel hat, den alten Zustand wiederherzustellen, von Innovation sprechen wir noch lange nicht.

Analogie Immobiliensanierung?

Wir haben also netterweise mehrere real existierende Experimente von versäumten Sanierungsmaßnahmen, an denen wir sogar persönlich teilnehmen dürfen. Wir erleben dabei hautnah, dass versäumte Investitionen nur langsam nachgeholt werden können. Und diese Tatsache wird Generationen wirtschaftlich, ökologisch und strukturell belasten. Unsere Generation darf jetzt ausbaden, was vor einer Generation versäumt wurde und es sieht so aus, als wenn wir den Staffelstab auch an die nächste Generation munter weitergeben.

Auch die Sanierung von Immobilien ist ein träges System. Zur Sanierung werden viel Kapital, viel Know-how und viel Zeit benötigt. Wenn wir zudem unseren Immobilienbestand bis 2045 klimaneutral sanieren wollen, dann ist das eine Mammutaufgabe. Und offen gestanden, werde nicht nur ich glauben, dass dieses Ziel gar nicht mehr erreichbar ist. Und das hat mehrere Gründe:

  • Kapital ist aktuell insofern ein knappes Gut, als die nackte Panik in der Immobilienbranche um sich greift. Verunsicherung wäre mir lieber, Panik hingegen ist ein schlechter Ratgeber. Ich befürchte, dass dieser „Engpass“ auch die nächsten Jahre noch anhalten wird. Die Anführungsstriche stehen für die Tatsache, dass es sich um einen Engpass an Vertrauen und nicht um einen Engpass an Kapital handelt.
  • Weiterhin tobt bereits der demographische Wandel und wir werden zukünftig weder die Planer noch die Ausführenden zur Verfügung haben, die wir für die energetischen Sanierungen benötigen. Energetische Sanierungen benötigen zudem ein neues Know-how, das in der Breite noch nicht angekommen ist. Daher ist es auch keine große Mutmaßung, wenn ich voraussagen möchte, dass Immobiliensanierungen ab jetzt jährlich teurer werden. Und zwar zum einen getrieben durch die Inflation. Zum anderen aber - und das deutlich dynamischer - durch das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Wenn die Nachfrage nach Sanierungen steigt und das Angebot klein ist, dann kennt der Preis nur eine Richtung.
  • Zusätzlich benötigen auch Immobiliensanierungen viel Zeit. Planung, Baugenehmigungen und Bau verschlingen schnell 3-5 Jahre. Ein Team, dass eine Gebäudesanierung durchführen kann, schafft also bis 2045 (2045-2023 = 22 Jahre) maximal fünf Sanierungen. Wir brauchen also sehr viele Teams. 2045 ist übermorgen, das scheint vielen bei solch trägen Systemen wie Immobilien nicht bewusst zu sein.

Nun führen gleichzeitig die Kostenerhöhungen in der Bau- und Immobilienbranche dazu, dass wir damit beginnen, die Anforderungen an die energetische Sanierung wieder zu reduzieren. Wie grausam ist das? Wir verschieben damit die Reduktion von CO₂-Emissionen noch weiter in die Zukunft, weil wir aktuell die wirtschaftlichen Mittel nicht aufbringen wollen. Und so belasten wir nochmals unsere Kinder mit einem sehr großen wirtschaftlichen Problem. Ich habe dafür kein Verständnis und wenn tatsächlich das Geld in der Projekten nicht ausreichen sollte, dann müssen wir Förderprogramme auflegen. Vorbeugen wäre die bessere Idee. Die Bahn lässt grüßen.

Was ist zu tun?

Immobilien sind für 30 % der CO₂-Emission verantwortlich, daher ist Handeln angesagt. Die Niederlande haben die Forderungen der EU-Taxonomie bereits in nationales Recht überführt. In den Niederlanden sind sowohl der Verkauf als auch die Vermietung von Gewerbebauten gesetzlich verboten, wenn sie oberhalb des erlaubten Energiebedarfs liegen. Der Wert der Immobilie fällt dann auf null! Ich finde es übrigens richtig, dass man hier mit Gewerbebauten also professionellen Investoren beginnt. Für Privatleute kann eine Zwangssanierung zu Härten führen, die auch durch Fördermaßnahmen nicht aufzufangen sind.

Die EU hat mit dem CRREM-Tool (Carbon Risk Real Estate Monitor) eine Rechenmethode entwickelt, die auf sehr intelligente und vor allem einheitliche Weise bilanziert wie eine Immobilie saniert werden muss, um bis 2045 klimaneutral zu sein. Die gute Nachricht für alle Eigentümer von BOBs ist, dass diese nicht saniert werden müssen, da sie weit und zwar sehr weit unter den Anforderungen liegen und daher klimaneutral sind. Sogar unser Prototyp BOB.Aachen aus dem Jahr 2002, dem wir jetzt die speziell für BOB entwickelte Wärmepumpe gegönnt haben, ist klimaneutral.

Wir bei BOB gehen aber jetzt einen deutlichen Schritt weiter. Wir bauen eine Seriensystem für energetische Sanierungen zunächst für unsere aktuelle Assetklasse also den Bürogebäuden. Wie auch bei unserem Serienprodukt für Neubauten wird so der Prozess verschlankt, so dass wir zu geringen Baukosten und zukünftig mit immer weniger Menschen (demographischer Wandel) immer mehr energetische Sanierungen durchführen können. Digitalisierung, Automatisierung und unser Betriebssystem unterscheiden sich zwischen Neubau und Sanierung in keinem Bit oder Byte, denn schließlich soll eine BOB-Sanierung von einem BOB-Neubau nach der Sanierung nicht zu unterscheiden sein. Und das gilt sowohl für den Nutzerkomfort als auch den Energiebedarf.

Das bedeutet auch, dass weiterhin alle BOBs ein Leben lang von uns betrieben werden. Wir wissen, dass ohne unser Betreiber-Know-how und ohne unsere Software BOB.i auch ein BOB nicht wirklich klimaneutral, sondern eine Mogelpackung wäre. Schauen Sie sich meinen letzten Newsletter an, dann wissen Sie, warum wir die Betriebsführung nicht aus der Hand geben werden.

Und schließlich werden wir ein Lizenzmodell für Projektentwickler und Bestandshalter auflegen, um BOB neben eigenen Entwicklungen die maximale Wirksamkeit zu geben. So können andere Unternehmen 10 Jahre Forschung und Entwicklung, die wir hinter uns haben, sparen und profitieren auch von allen Weiterentwicklungen des BOBs. 400 Mio. m² Büroflächen sind in Deutschland bis 2045 klimaneutral (auch als Wandlung in andere Assetklassen) zu sanieren. Das entspricht einer Investition von ca. 500 Mrd. €, die sicher nicht ein Unternehmen stemmen wird. Kooperation und nicht Wettbewerb sind daher angesagt.

BOB Gründer Dr. Bernhard Frohn, Vorstand

Über den Autor Dr. Bernhard Frohn

Schon früh beschäftigte sich Dr. Bernhard Frohn mit dem Unternehmersein. Nach dem Studium des Maschinenbaus an der RWTH Aachen promovierte er im Bereich Photovoltaik und machte sich sofort selbständig. Als Energieeffizienzberater für Bestandsimmobilien und Neubauten verdiente er das erste Geld. Durch den Bau des eigenen Bürogebäudes, dem Balanced Office Building in Aachen, lernte er die Faszination für Architektur aber auch die Komplexität bei dem Bau eines Bürogebäudes kennen. Denn hier spielen nicht nur Themen wie Technik, Gebäudeorganisation oder gar Bauabläufe eine Rolle. Es sind vor allem die Themen des Unternehmertums und der Gestaltung neuer Arbeitswelten, die für Bernhard Frohn aus einem scheinbar simplen Büro eine echte Herausforderung in einer digitalisierten Welt machen. Daher schreibt er auf diesem Blog über ein breites Spektrum an Themen und hat viel Freude daran, neue zu entdecken.