Nachhaltigkeit

Energievernichtung am laufenden Band

07. September 2023 von Dr. Bernhard Frohn
aktualisiert am 
07. September 2023

Haben Sie Lust auf ein paar Geschichten, die Sie mir kaum glauben werden? Sollen wir einmal gemeinsam in den Maschinenraum von Immobilien hinabsteigen? Ja? Ok, dann legen wir los: Ich erzähle Ihnen aus unserer spannenden Vergangenheit als Beratungsunternehmen wahre Geschichten von Bestandsgebäuden und von Neubauten. Schonungslos versteht sich. Jede Ähnlichkeiten mit lebenden oder realen Immobilien sind natürlich reiner Zufall.

Eine Solaranlage auf Irrwegen

Besitzer eines Schwimmbads sind gut beraten, dieses mit einer thermischen Solaranlage zu beheizen. Das spart viel Geld und ist zudem auch umweltfreundlich. Da die Sonne natürlich nicht immer scheint, benötigt man ein zweites Heizsystem. In meinem Beispiel war dies ein Blockheizkraftwerk. Der Eigentümer wähnte sich gut aufgestellt, hatte er doch alles getan, was Berater ihm gesagt hatten. Irgendwann lernten wir uns aber kennen, und er klagte über die trotz Solaranlage hohen Energiekosten. Ein fähiger Mitarbeiter von uns fuhr also raus und schaute sich die Anlage an. Er schaute einmal, er schaute noch einmal, er traute seinen Augen nicht. Da hatte jemand Vor- und Rücklauf der Solarkollektoren vertauscht. Was heißt das? Das heißt, dass das Blockheizkraftwerk das Schwimmbadwasser erwärmte und dass die Solaranlage das warme Wasser in die Kollektoren auf dem Dach transportiert hatte, um dort die Wärme an die Luft abzugeben. Tagein, tagaus, Sommer wie Winter, 24/7/365. Das war Energievernichtung pur. Dass der Eigentümer acht Jahre nach Inbetriebnahme zu uns kam, ist Tatsache. Gerücht ist hingegen, dass der Besitzer mittlerweile pleite ist.

50.000 Euro für zwei Kabel

Es war einmal ein Bürogebäudeneubau mit 20.000 m² Mietfläche. Wie immer hatte auch diese Immobilie Probleme bei der Einregulierung. Der linke Gebäudeflügel mit 10.000 m² funktionierte perfekt, der rechte hingegen mit ebenso 10.000 m² katastrophal. Unzufriedene Mieter, Mietkürzungen und verzweifelte Facility Manager waren die Folge. Nachdem sechs Monate lang die Schuldzuweisungen hin- und hergingen und überraschender Weise ;-) kein Schuldiger ausfindig gemacht werden konnte, erinnerte man sich an uns.

Mit teuren Messgeräten und hoch dotierten, studierten Mitarbeitern rückten wir aus. Ghostbusters lässt grüßen. Sie kennen die Szene aus dem Film, wie die Geisterjäger in Zeitlupe ausrücken? Wir gingen auch in Zeitlupe und in Overalls. Siegessicher! Da wir das Objekt weder simuliert noch geplant hatten, blieb nur trail and error als Methode übrig. Also veränderten wir Parameter und Algorithmen im rechten Gebäudeflügel und hofften auf Besserung. Nichts geschah. Wenige Wochen später fuhren wir wieder raus und starteten den nächsten Versuch. Nichts geschah. Es gab noch einen dritten und einen vierten Versuch und nichts verbesserte sich.

Der Verzweiflung nahe und schon lange nicht mehr sieges- und selbstsicher in Zeitlupe gehend planten wir zur Abwechslung einmal, die Parameter im linken Flügel zu verändern, um zu sehen, was geschehen würde. Und siehe da, es funktionierte. Wir veränderten also im linken Flügel die Parameter und schon wurde es im rechten Flügel deutlich behaglicher. Wie bitte? Ja genau! Zwei Steuerkabel waren vertauscht worden und 50.000 € Schaden wurde durch Mietminderung, Facility Management, Anwälte und uns Geisterjäger produziert. So teuer können Kabel sein.

Heiße Reifen

Im Zuge eines Konjunkturpaketes durften wir eine 12.000 m² große Büroimmobilie einer Kreisverwaltung auf Energieeffizienz hin untersuchen. Es gab keine Beschwerden, der Energiebedarf wurde als normal (!) für diese Baualtersstufe bezeichnet. „Machen Sie halt mal ein paar Vorschläge.“

Da wie immer kein Monitoring vorhanden war, hatten wir damals eine Methode entwickelt, mit der wir Heizkörper, Kopierer, Drucker, Leuchten, Computer usw. zählten, die Betriebszeit abschätzten, die Bauphysik untersuchten, um so auf den Energiebedarf rückschließen zu können. Jugend forscht, haben wir das immer genannt. Wobei die Ergebnisse richtig gut waren, da sie mit der Realität übereinstimmten.

Bei dem Bürogebäude stießen wir auf eine riesige Differenz zwischen dem abgerechneten Energiebedarf und dem von uns geschätzten. Der abgerechnete Energiebedarf war viel zu hoch. Wir haben unsere Rechnungen überprüft, konnten aber keinen Fehler erkennen. Auf die Spur hat uns dann die Stromabrechnung gebracht. Fünf Jahre vor unserem Besuch stieg der Strombedarf erst teilweise und dann heftig an, um dann stabil auf hohem Niveau zu verharren. Was war geschehen?

Es gab zur Enteisung für den Winter eine elektrisch beheizte Abfahrt in eine Tiefgarage, zweispurig versteht sich. Der Temperatursensor, so ein Teil kostet einige Euros, hat fünf Jahre vor unserem Besuch den Geist aufgegeben. Und wahrscheinlich hat er dabei -175 °C angezeigt. Fünf Jahre lang. Fünf Jahre lang war also die elektrische Beheizung von morgens bis abends in Betrieb. Für diejenigen, die es genau wissen wollen, zähle ich einmal die Monate auf, damit Sie merken, was  sinnlose Energievernichtung bedeutet: Januar, Februar, März, April, Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober, November, Dezember, Januar, Februar, März, April, Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober, November, Dezember, Januar, Februar, März, April, Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober, November, Dezember, Januar, Februar, März, April, Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober, November, Dezember, Januar, Februar, März, April, Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober, November, Dezember.

Den Präsentationstermin vor dem Gremium vergesse ich in meinem Leben nicht mehr. 20 Menschen saßen mit bildlich offenem Mund vor mir und sagten nichts.

Was ist zu tun?

Ich könnte ein Buch mit Geschichten füllen. Aber diese Geschichten werden eigentlich von aktuellem alltäglichen Wahnsinn noch getoppt: Dass bei geheizten und gekühlten Gebäuden in Frühjahr und Herbst nachts (draußen 13 °C) geheizt wird, um dann tagsüber (25 °C) die Wärme wieder weg zu kühlen, ist nicht die Ausnahme, sondern auch 2023 noch die Regel. Und zwar auch bei Neubauten, die auf dem Papier klimaneutral sind. Und wer merkt das? Niemand.

Denn genau das ist das Problem. Niemand ist im Gebäudebetrieb mit der Energieoptimierung beauftragt. Es gibt keine Sensoren, kein Monitoring und es gibt keinen Bordcomputer, der laufend, wie bei einem PKW, den Energiebedarf anzeigt. Tatsächlich ist der Energiebedarf eines Gebäudes auch deutlich komplexer als bei einem Auto. Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung und Allgemeinstrom sind unterschiedliche Energiebedarfe, die jeweils eigene Benchmarks haben und die nicht in einen Topf (einen Stromzähler) geschmissen werden dürfen.

Wer soll das alles umsetzen?

Es bedarf aber noch mehr als nur der Idee, sich um das Thema kümmern zu wollen. Die schlechte Nachricht ist nämlich, dass Menschen, die Monitoring beherrschen, nicht zahlreich und sehr teuer sind. Daher ist die komplette Digitalisierung und Automatisierung des Themas bis hin zu einem selbsttätigen Alarmsystem zwingend notwendig. Ein Alarmsystem für Energieeffizienz ist aber nicht trivial. Wann ist ein Heizenergiebedarf zu hoch? Diese Frage kann man nur beantworten, wenn man die Bauphysik des Gebäudes und das Außenklima der nächsten 24 Stunden vorausschauend mit einbezieht. Und natürlich muss der Alarm auch irgendwo auflaufen, wo er verarbeitet werden kann.

Motivation allein reicht also nicht. Wir benötigen eine sehr ausgereifte Technologie unter Einbezug von Künstlicher Intelligenz, die noch schnell das Know-how der Baby-Boomer einbezieht, bevor die wenigen jungen Menschen (als Folge des demographischen Wandels) mit dieser Aufgabe allein sind.

Um es noch einmal ganz deutlich zu schreiben: Um kleine Energiekosten und Klimaneutralität zu erreichen, müssen zwar Technologien wie Photovoltaik oder Geothermie eingebaut sein, erreicht werden die Ziele aber NUR (!) durch ein smartes, digitalisiertes und automatisiertes Monitoring, das so eng mit der Gebäudetechnik verzahnt ist, dass automatisch Maßnahmen ergriffen werden, wenn Fehlfunktionen, wie die oben beschriebenen, auftreten. Und diese werden ganz sicher bei jeder Immobilie auftreten, das verspreche ich Ihnen.

Wer also glaubt, mit der Fertigstellung seiner Immobilie sein Ziel erreicht zu haben, der irrt. Das ist auch der Grund, warum wir bei unserem Bürogebäudeprodukt BOB die Übernahme des Gebäudebetriebs durch uns zur Pflicht gemacht haben. Kündigt uns jemand, dann entziehen wir der Büroimmobilie die Marke BOB, da wir dann nämlich sicher wissen, dass es ohne die von uns entwickelte Technologie für den Gebäudebetrieb Fehlfunktionen geben wird und dass Energieeffizienz und Klimaneutralität reines Wunschdenken sind.

BOB Gründer Dr. Bernhard Frohn, Vorstand

Über den Autor Dr. Bernhard Frohn

Schon früh beschäftigte sich Dr. Bernhard Frohn mit dem Unternehmersein. Nach dem Studium des Maschinenbaus an der RWTH Aachen promovierte er im Bereich Photovoltaik und machte sich sofort selbständig. Als Energieeffizienzberater für Bestandsimmobilien und Neubauten verdiente er das erste Geld. Durch den Bau des eigenen Bürogebäudes, dem Balanced Office Building in Aachen, lernte er die Faszination für Architektur aber auch die Komplexität bei dem Bau eines Bürogebäudes kennen. Denn hier spielen nicht nur Themen wie Technik, Gebäudeorganisation oder gar Bauabläufe eine Rolle. Es sind vor allem die Themen des Unternehmertums und der Gestaltung neuer Arbeitswelten, die für Bernhard Frohn aus einem scheinbar simplen Büro eine echte Herausforderung in einer digitalisierten Welt machen. Daher schreibt er auf diesem Blog über ein breites Spektrum an Themen und hat viel Freude daran, neue zu entdecken.