New Work

Weniger - aber bessere Büros

06. April 2023 von Dr. Bernhard Frohn
aktualisiert am 
06. April 2023

Früher fuhr man zum Jodeln in die Berge, heute ist im Büro gähnende Leere, was dem Nachhall ein komfortables Zuhaue schafft.

Wir schreiben das Jahr 2030. Ihre Mitarbeitenden, die Anfang der 2020er in das Homeoffice umgezogen sind, sind nicht zurückgekehrt. Neue Möbel, Birkenwälder im Büro, Drohungen: Es hat nichts gefruchtet. Die Babyboomer sind auch nicht mehr da, sie sind in Rente. Ihre KI (Künstliche Intelligenz) hat eben den Jour fixe für Donnerstag abgesagt, eine Kollegin ist im Urlaub, einer hat sich gestern krankgemeldet und beide hätten teilnehmen müssen. Die KI hat bereits für einen neuen Termin eingeladen und natürlich hat sie bei der Terminfindung daran gedacht, dass im Protokoll steht, dass bis Ende Mai dringend die neue Entscheidung für die Ausgestaltung der Marketingkampagne getroffen werden muss. Schließlich hat die KI auch das Protokoll anhand des aufgenommenen Gesprächs geschrieben. Die KI hat einen anderen Termin verschoben, der keine so hohe Priorität hatte. Und da die externe Agentur noch auf ein Feedback des kranken Kollegen wartet, hat die KI auch gleich diese noch informiert und darauf hingewiesen, dass noch kein Zeitproblem droht. Die KI der Agentur hat sich höflich bedankt.

Und, was machen Sie noch so im Büro? Jodeln?

Quo vadis Büroimmobilie?

Ist das oben alles Science-Fiction, dauert es noch Jahrzehnte, bis wir so weit sind? Ich glaube nein, denn was ich oben geschrieben habe, kann eine KI schon heute. Und das gilt auch für Power-Point-Präsentationen, ja auch dafür gibt es eine KI basierte App. Die Daten für die Automatisierung sind z.B. in Office 365 alle vorhanden. Office 365 weiß schon heute über Ihre Gesamtorganisation deutlich mehr als jede oder jeder einzelne im Team.

Wie ich schon in einem vorhergehenden Beitrag gemutmaßt habe, besteht unsere Büroarbeit zu mindestens 50 % aus Routinearbeit. Und mit ein bisschen Lernen, erledigt die KI diese Routinetätigkeiten 24 h am Tag, 365 Tage pro Jahr gegen eine Lizenzgebühr und ohne Krankmeldung.

Jetzt könnten Sie argumentieren, dass es so schnell mit der Entwicklung nicht gehen wird, da wir uns erst immer langsam an Neues gewöhnen müssen. Letzterem kann ich energisch zustimmen, um dann wieder energisch zu widersprechen. Es gibt bei dem Thema der Automatisierung der Büroarbeit einen wesentlichen Unterschied. Ihr Wettbewerber, der sich zeitig um das Thema gekümmert hat, wird innerhalb dramatisch kurzer Zeit so an Produktivität gewinnen und Kosten sparen, dass er Ihnen das Fürchten lehren wird. Dienstleister, die zu 100 % von der Büroarbeit leben, werden dann am eigenen Leib erleben, was das Wort Disruption bedeutet.

Ich möchte daher mutmaßen, dass die Büroarbeit und damit die Bürofläche mächtig schrumpfen werden. Es gibt nur eine Gegenbewegung, nämlich dass wir plötzlich einen Kreativitätssprung vollziehen und dass es uns gelingt, die Routinearbeiter von gestern zu den kreativen Wissensarbeitenden von morgen zu machen. Das wäre genial, denn wir benötigen viele neue und gute Ideen für unsere Zukunft. Glauben mag ich diesem Szenario aber nur teilweise. Neugierde und Lust auf Neues und Veränderung ist in den letzten Jahrzehnten in unserer westlichen Welt nicht gerade kultiviert worden. Selbst im Silicon Valley gehen die Patentanmeldungen dramatisch zurück.

By the way, ich bin der festen Überzeugung, dass die kreativen Wissensarbeiterinnen und --arbeiter auch zukünftig noch genügend zu tun haben werden. Eine KI kann aus alten Daten unfassbare Zusammenhänge herstellen. Mit Lösungen von gestern, lösen wir aber keine Probleme von morgen. Einstein - und der war wirklich intelligent - hat gesagt: „Die Definition von Wahnsinn ist: immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Wir müssen also über Lösungen nachdenken, die sich nicht aus alten Daten ergeben und für die es keine Blaupause gibt.

Meine erste These ist also, dass die benötigte Bürofläche durch den Einsatz der KI deutlich schrumpfen wird. Und natürlich benötigen wir daher keine Schreibstuben oder Zeichensäle mehr, sondern wir benötigen eine Arbeitswelt für Kreative.

Die Mitarbeitenden sind ausgezogen …

und kommen auch nicht mehr zurück. Erst hat Corona uns Büromenschen nach Hause geschickt und jetzt kommen wir nur widerwillig zurück. Es ist doch schön zu Hause. Dort hat man seine Ruhe, seine gewohnte Umgebung und kann ein Nickerchen machen, wenn man das will.

Apropos Nickerchen. Sind die Mitarbeitenden zu Hause eigentlich produktiv oder vielleicht sogar produktiver? Bei Besprechungen im Büro sieht mich jeder, zu Hause bin ich unbeobachtet und kann auch schon einmal die Kamera ausschalten oder freitags um 12:00 Uhr Feierabend machen. Freitags ist ja sowieso der Homeofficetag schlechthin.

Was tun?

Ok, wir beschaffen tolle Büromöbel, schaffen Spielecken und bestellen beim Sternerestaurant das Essen. Dann kommen sie alle zurück. Bestimmt! Nein das tun sie nicht, das wissen wir mittlerweile alle. Und wie soll es dann funktionieren? Ich sehe nur einen einzigen Weg. Wir müssen dafür sorgen, dass die Arbeit, die unsere Mitarbeitenden durchführen, Sinn ergibt. Wenn sich Mitarbeitende als geschätzter Teil eines großen, sinnstiftenden Ganzen sehen, dann brennen sie für ihre Arbeit. Und dann, aber auch nur dann, ist das Nickerchen während der Arbeit genau richtig, da es neue Kreativkräfte freisetzt.

Es geht also schlicht um die Führungskultur. Erklären wir Arbeit 1 vor allen Mitarbeitenden zur wichtigsten Tätigkeit des Unternehmens und erwähnen wir Arbeit 2 in der „Jahresansprache“ nicht, dann werden sich alle Menschen, die sich mit Arbeit 2 beschäftigen, schlecht fühlen und werden die Arbeit abgeben wollen. So simpel ist für mich der Zusammenhang und dennoch verstoßen Führungskräfte, die ihren Job meist ja nicht in einer Ausbildung gelernt haben, tagtäglich über die banalen Mechanismen, die man bei jedem Fußballverein erleben kann. Wer nur die Stürmer lobt, hat eine schlechte Verteidigung und auch der Zeugwart sollte seinen Job im Sinne des Gesamtsystems perfekt vollbringen.

Und jetzt komme ich zu meiner These 2. Die Mitarbeitenden der Führungskraft alter Schule gehen garantiert gerne ins Homeoffice, da sie sich dort verstecken können. Die aus dem Team, die sinnstiftend arbeiten können und dafür Anerkennung und Lob auch von Freunden und Familie ernten, ja die gehen, äh, ja die gehen auch garantiert ins Homeoffice ;-). Aber Letztere wegen der höheren Produktivität. Also auch die These 2 kommt zu dem Ergebnis, dass die Bürofläche deutlich schrumpft.

Und was geschieht mit der Büroimmobilie?

Die Büroflächen werden weniger, aber wichtiger. Nur die sehr wichtigen Büroarbeiten, wie Kollaboration und Kommunikation (privat und beruflich) bleiben als Anwendung für die Bürofläche übrig. Eine Unternehmenskultur, die die Menschen auch emotional miteinander verbindet, wird man nicht per Video, sondern durch die Anwesenheit im Büro und sonstige Begegnungen schaffen.

Insgesamt empfehle ich daher jedem, der Büroflächen mietet oder neu baut, reduzieren Sie Ihre Fläche drastisch. Schaffen Sie flexible Angebote für das Homeoffice und schaffen Sie sich auch temporäre Flächen als Coworking Spaces, damit Ihr Unternehmen atmen kann. Sofern es möglich ist, sollte man sich Coworking Spaces mit anderen Unternehmen teilen, oder einen professionellen Anbieter ins Haus holen. So lässt sich Geld sparen, das Sie in bessere Arbeitswelten investieren können und auch sollten. Ein fünfstelliger Betrag für ein Konferenzsystem ist für hybride Konferenzen nicht mehr teuer, sondern dringend notwendig. Denn natürlich müssen Sie neue Arbeitswelten schaffen. Neue Möbel, gutes Essen, ästhetisches Bürodesign, perfekte Medientechnik, Nachhaltigkeit und perfektes Raumklima haben als New Work zusammengefasst definitiv ihre Berechtigung.

Aber tun Sie das bitte nicht aus dem Grund, um die Mitarbeitenden wieder aus dem Homeoffice ins Büro zu locken. Das ist gar nicht notwendig, wenn es denn gelingt, eine neue Führungskultur aufzubauen.

BOB Gründer Dr. Bernhard Frohn, Vorstand

Über den Autor Dr. Bernhard Frohn

Schon früh beschäftigte sich Dr. Bernhard Frohn mit dem Unternehmersein. Nach dem Studium des Maschinenbaus an der RWTH Aachen promovierte er im Bereich Photovoltaik und machte sich sofort selbständig. Als Energieeffizienzberater für Bestandsimmobilien und Neubauten verdiente er das erste Geld. Durch den Bau des eigenen Bürogebäudes, dem Balanced Office Building in Aachen, lernte er die Faszination für Architektur aber auch die Komplexität bei dem Bau eines Bürogebäudes kennen. Denn hier spielen nicht nur Themen wie Technik, Gebäudeorganisation oder gar Bauabläufe eine Rolle. Es sind vor allem die Themen des Unternehmertums und der Gestaltung neuer Arbeitswelten, die für Bernhard Frohn aus einem scheinbar simplen Büro eine echte Herausforderung in einer digitalisierten Welt machen. Daher schreibt er auf diesem Blog über ein breites Spektrum an Themen und hat viel Freude daran, neue zu entdecken.