New Work

Neue Arbeitswelt und Digitalisierung

06. April 2020 von Volker Zappe
aktualisiert am 
01. Mai 2020

Der Büromensch im Zeitalter von New Work hat natürlich zwei Träger, um an seinen agilen Meetings teilnehmen zu können: Der eine, ein sehr kräftiger Bursche, buckelt den gewichtigen und sperrigen Tower-PC und hat zudem noch einen extraschweren Röhrenbildschirm unter den Arm geklemmt. Der zweite hält mit großer Vorsicht die Kabellage und sorgt dafür, dass Strom- und Netzwerkkabel rechtzeitig zum Meeting geeignete Steckdosen finden. Vorsicht: Stolpergefahr …

Natürlich ist ein solches Szenario – Gott sei Dank ­– humorvolle Fantasie. Die Digitalisierung und die Fortentwicklung mobiler Technik versetzen uns heute in die Lage, neue Arbeitsmodelle, also New Work, zu leben. Smartphone, Tablet und Notebook entkoppeln uns von den stationären Arbeitsplätzen der ersten Phase der digitalisierten Arbeitswelt. Mit Cloudtechnologie nutzen wir Daten überall zu jeder Zeit, verändern sie, teilen sie mit anderen. Selbst Betriebssysteme und Software jeder Art wandern in die Cloud. Software wird nicht besessen, sondern im Grunde nur geteilt – mit allen Vor- und Nachteilen, die damit verbunden sind.

Waren wir früher durch Schreibmaschine und Telefon, später dann durch XL-Tower, Laser-Drucker und Co an einen Arbeitsplatz gebunden, können wir uns durch moderne Kommunikationstechnik befreien und beide Spielbeine locker einsetzen. Damit bekommt das Büro, vor allem aber das Umfeld, einen ganz neuen Bedeutungszusammenhang. Hat man sich früher zu mehreren beim Teamwork um einen 14-Zoll-Bildschirm gedrängt, lassen sich Diskussionen nun im Open Space mit Touchscreen oder Whiteboard wesentlich zielführender, kommunikativer und – rückenschonender gestalten.

Globalisiertes Arbeiten nimmt zu

Der Nerd, der auf den Malediven mit seinem Laptop auf den Oberschenkeln am Strand arbeitet, ist mittlerweile zum Klischee geworden. Die neuen digitalen Tools sind die Basis, ortsungebunden zu arbeiten. Strände sind natürlich schön, die Realität besteht für die meisten jedoch aus unruhiger Hotellobby, störungsreicher ICE-Fahrt oder zugigem Flughafenwartebereich. Dies hat nicht nur Vorteile in der Lebens- und Arbeitsgestaltung von mobilen Mitarbeitenden.

Vielmehr schafft die Digitalisierung aber die Voraussetzungen für eine globale Arbeitsteilung. Das Arbeiten an gemeinsamen digitalen Projekten in der Cloud oder die Nutzung effizienter Technik für Videokonferenzen lassen uns im globalen Maßstab zusammenrücken. Unternehmen sind so in der Lage, Menschen zeitweise ins Team aufzunehmen, von neuen Ideen zu profitieren oder von anderen Kulturen zu lernen. Die Chancen, die aus diesen Möglichkeiten wachsen, schöpfen die meisten Unternehmen aber noch nicht aus. Denn nicht nur die globale Vernetzung ist möglich, sondern natürlich auch die von unterschiedlichen Firmen vor Ort. So trifft ein Konzern beispielsweise wie Siemens mit Leichtigkeit einen KMU von der Schwäbischen Alb. Warum nicht mal für vier Wochen in einem digitalen Raum zusammenarbeiten und voneinander profitieren?

Geschäftsmodelle müssen sich anpassen

Die Digitalisierung wirkt damit massiv auf Geschäftsmodelle ein. Mit der höheren Dynamik entsteht Geschwindigkeit, die sich natürlich auch auf die Länge oder besser Kürze von Produktzyklen auswirkt. Entwicklungen werden sowohl für große als auch für kleine Unternehmen immer schwerer voraussagbar. Es geht gar nicht mehr anders, als sich in Netzwerken zusammenzufinden, um die Märkte besser im Blick zu haben und auf neue Anforderungen zu reagieren bzw. innovative Ideen zur Marktreife zu führen. Was früher Unternehmen mit eigenen Abteilungen abarbeiten konnten, steht unter dem Diktat der Digitalisierung unter einem unvergleichlichen Wettbewerbsdruck. Daher müssen Unternehmen in ihrer Struktur flexibler sein als früher: mehr Kooperation und Netzwerk, mehr Veränderbarkeit in Teamstrukturen und eben die beschriebene Arbeitskultur. Cloud-Computing bekommt auch im gesamten Umfeld von Forschung und Entwicklung enorme Schubkraft. So schrieb die Kommunikationsexpertin Julia Härle kürzlich im Blog des Fraunhofer IAO: „Im Vergleich zu klassischen IT-Lösungen lassen sich über die Cloud eigene Systeme flexibel mit externen Anwendungen ergänzen. Lässt sich ein Kundenbedarf nicht allein aus den bestehenden Kompetenzen bewältigen, so können über Schnittstellen relativ schnell passende externe Services ins Leistungsangebot des eigenen Unternehmens eingebunden werden, die diese Bedarfe abdecken.“ Silodenken war also früher, heutige Geschäftsmodelle müssen sich öffnen und flexibler sein.

Haben wir die richtigen Büros?

Nachdem der zu Beginn skizzierte Büromensch sein agiles Arbeiten abgeschlossen hat, schleppt sein Team ihn und sein Equipment wieder zurück in sein Einzelbüro, eingesperrt, einsam … Oder braucht er sein Büro gar nicht mehr?

Spricht man mit Experten über die Frage, ob das klassische Büro ob der Anforderungen der Digitalisierung und der damit verbundenen Arbeitskultur ausstirbt, verneinen dies alle. So wie das Homeoffice nicht das kooperative Arbeiten ersetzen kann, kompensiert das agile Arbeiten im Team auch nicht die konzentrierte Arbeit im Einzelbüro. Weder die radikale Einführung von Homeoffice noch die Einrichtung von Großraumbüros, die dann oftmals doch an die einstigen Legebatterien der Landwirtschaft erinnern, haben das Problem gelöst: Arbeitsprozesse sind sehr vielschichtig und werden durch die Digitalisierung noch komplexer und noch bunter. Holt man die oben beschriebenen Kooperationen aus der Cloud in die Realität, benötigt man hier ganz neue Raumstrukturen. Sie müssen Angebote an temporäre Teams machen, die sich spontan bilden, aber auch wieder auflösen können. Corporate Coworking oder Collaboration müssen Teil der Arbeitswelten eines Unternehmens werden können, ohne mögliche Sicherheitsbedürfnisse außer Acht zu lassen. Daher benötigen neue Arbeitswelten und New Work eine breite Angebotspalette unterschiedlicher Raumtypen: Einzelbüros, Gruppenbüros, temporärer Teambüros, Meeting-Räume, Konferenzräume und natürlich Möglichkeiten für das informelle Gespräch bei einer flüchtigen Begegnung.

Kunden und Kundinnen aus unseren Mietflächen berichten uns regelmäßig mit Begeisterung Folgendes: Mit der Schaffung solcher informellen Kommunikationsräume in Verbindung mit mehr Transparenz durch viel Glas und Tageslicht nimmt der Austausch untereinander drastisch zu! Und das wirkt sich natürlich auf alle Geschäftsprozesse positiv aus.

Fazit: Das Büro muss sich ändern

Was unternimmt unser Büromensch also künftig, wenn er von der Last und den Fesseln der analogen Bürowelt befreit ist? Er nutzt die Vorteile der Digitalisierung, um sie in allen beschriebenen Bereichen einzusetzen. Dabei werden sich die Büros als wegweisend herausstellen, die auf das Bedürfnis nach der freien Wahl der jeweils erforderlichen Arbeitskultur eingeht: Teammeeting mit Whiteboard, Kreativinsel mit Workshopcharakter oder spontane Kochgemeinschaft mit viel Spaß? Alles sollte möglich sein und das Rest-Team sollte den stillen Arbeiter oder die konzentrierte Denkerin im Einzelbüro mit geschlossener Tür gefälligst in Ruhe gelassen.

Volker Zappe, Leiter Unternehmenskommunikation der BOB AG

Über den Autor Volker Zappe

Wie können wir Umwelt und Technik so miteinander in Einklang bringen, dass auch künftige Generationen nachhaltig und zufrieden leben können? Und wie gestalten die heute agierenden Menschen ihre Verantwortung für dieses Ziel. Diese Fragen begleiten Volker Zappe bereits seit mehr als drei Jahrzehnten. Zunächst arbeitete er als Ingenieur im Bereich Umwelt- und Landschaftsplanung, danach als Kommunikator und Autor in unterschiedlichen Bereichen. Seit acht Jahren wirkt er daran mit, die wunderbare Idee des Balanced Office Buildings und die damit verbundenen Themen einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Er schreibt hier über Nachhaltigkeit und Klimaschutz, neue Arbeitswelten und New Work, über Technikfragen und Wirtschaftlichkeit.