Wirtschaftlichkeit

Technologieplattform für Immobilien

04. April 2025 von Dr. Bernhard Frohn
aktualisiert am 
26. Mai 2025

Im 1. Teil und 2. Teil dieserBeitrags-Reihe (siehe unten) habe ich die Marktbedeutung des Seriellen Bauens dargestellt und habe erläutert, was zu tun ist, um ein Seriensystem zu entwickeln und welch unglaublich gutes Ergebnis auf diesem Weg zu erzielen ist. Mit dem Vorurteil, klimaneutrales Bauen koste mehr Geld, konnten wir zum Beispiel aufräumen. Bei einem Seriensystem sinken die Investitionskosten trotz steigender Qualität. Aristoteles hatte eben recht, dass das Ganze mehr ist als die Summe der Teile. Geothermie, Gebäudeleittechnik Holzbau oder Photovoltaik, Architekten, Statiker, TGAler (Technische Gebäudeausrüstung) und Bauausführende sind Teile, aber noch lange nicht ein smartes Ganzes.

In diesem Newsletter-Beitrag geht es um das Vehikel und das Fundament für ein skalierbares Seriensystem. Es geht um den Aufbau einer Technologieplattform.

Technologie ist nicht gleich Technik

Was ist unter Technologie zu verstehen? Technologie besteht nicht nur aus Technik. Sie beinhaltet über die technischen Komponenten auch Design (Architektur), Funktion, Bedienerfreundlichkeit und Software. Wenn ich also von Technologie spreche, meine ich das Gesamtprodukt in der Wahrnehmung des Kunden oder anderer Stakeholder.

Was leistet eine Plattform?

Damit wir uns dem Begriff der Plattform nähern, möchte ich beschreiben, was eine Plattform für Menschen leistet. Eine Plattform bietet zunächst einmal definierte Andockpunkte für Menschen. Bei einem Bürogebäudeprodukt zum Beispiel gibt es Projektentwickler, Mieter, Investoren, Banken, Architekten, Fachplaner, Bauunternehmen, Gebäudebetreiber, Bestandshalter, Hausmeister, Berater und viele weitere Beteiligte. Alle haben eine bestimmte Rolle und für alle bietet die Plattform eine Schnittstelle, über die die Beteiligten Kontakt zur Plattform oder auch zueinander (Beispiel Mieter – Bestandshalter) aufnehmen. Wechselwirkungen zwischen den Menschen und der Plattform entstehen durch den Austausch von Informationen, durch das Schließen von Verträgen oder durch den Austausch von Leistung und Geld. Damit dieser Austausch funktioniert, müssen Regeln definiert werden. Und dazu braucht es einen Plattformbetreiber, der diese Regeln aufstellt.

Liest man diese allgemeine Beschreibung, dann sind Europa, Deutschland, Siemens, Borussia Dortmund oder Ihr Bau- oder Sanierungsvorhaben eine Plattform. Ja, das ist richtig. Spannend wird es, wenn aus einer Plattform eine Technologieplattform wird.

Was leistet eine Technologieplattform?

Eine Technologieplattform ist eine umfassende technische Infrastruktur. Diese bietet nicht nur Andockpunkte für Menschen, sondern auch für Hard‐ und Software. Eine Technologieplattform stellt das Fundament für die Entwicklung in unserem Fall von Immobilien dar und hat bereits viele Probleme gelöst, die im Alltag regelmäßig auftreten:

 

  • Was ist der richtige Glasanteil im Spannungsfeld der Energiebedarfe für Heizung, Kühlung oder Kunstlicht bei gleichzeitig perfektem Raumklima?
  • Was sind die richtigen Materialien im Sinne der Ressourceneffizienz?
  • Wie harmonieren Mietvertrag und Betreibervertrag?
  • Wie kommt man zu immer wieder identischen Bau-, Energie- und Nebenkosten?
  • Wie kann die Flexibilität des Innenausbaus unter Beachtung der Flächeneffizienz und der technischen Anforderungen hergestellt werden.

Eine Technologieplattform stellt also die Umgebung bereit, auf der die technischen, kaufmännischen, organisatorischen oder juristischen Lösungen aufgebaut werden können, ohne dass sich die Einzeldisziplinen um Low-level-Details der zugrunde liegenden Technologie kümmern müssen.

 

Artikelinhalte

Technologieplattform für Immobilien

Eine Technologieplattform ist daher eine Effizienzmaschine und sie ist auf Skalierbarkeit getrimmt. Um die Technologieplattform zu bedienen, ist deutlich weniger Know-how erforderlich als bei einer immer wieder neu orchestrierten Zusammenarbeit zum Beispiel für den Neubau oder die Sanierung eines Unikats. Und das Know-how, das benötigt wird, ist auf der Technologieplattform gleich zu finden.

So richtig spannend wird es, wenn der Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad einer Technologieplattform sehr hoch ist. Dann können Aufgaben in Sekunden bewältigt werden, die vorher als sehr groß oder komplex angesehen wurden. Beispielsweise die interdisziplinäre Arbeit zur Erfüllung von DGNB-Kriterien, die bei unseren Bauvorhaben 6-stellige Honorare erfordert oder die Darstellung einer Lieferkette, werden durch die tiefe Digitalisierung auf einer Plattform zum trivialen und vor allem wiederholbaren Akt.

Gelingt es dann, zukünftig die Künstliche Intelligenz (KI) zu einem Beteiligten (Agenten) auf einer Technologieplattform zu machen, dann wird es richtig abgefahren. Was mich bei KI einfach nur begeistert, ist, dass sie quasi nichts kostet und bei Bedarf 24/7 in Echtzeit ihre Aufgaben erledigt. Technologieplattformen mit KI-Agenten werden kurze Zeit nach ihrer Einführung dem Wettbewerb keine Chance mehr lassen. Es braucht nicht viel Mut, um das vorauszusagen, da dies vielfach schon zu beobachten ist.

Bei einer Sanierung geht das aber nicht, oder?

Das werde ich oft gefragt. Jede Sanierung ist doch anders, da kann ich doch nichts vordenken und es kann doch auch keine Technologieplattform geben, die Neubau und Sanierung gleichermaßen als Ergebnis ausspuckt? Doch das geht.

Betrachten wir sämtliche Wertschöpfungsketten im Wirtschaftsleben, so bestehen diese nur zu einem Teil aus Hardware (bei uns Gebäude oder Technik). Der wichtigere und komplexere Teil besteht aus Prozessen sowie aus juristischen, kaufmännischen und organisatorischen Regeln - und noch schlimmer – aus interdependenten Zusammenhängen derselben. Und nicht zu vergessen ist auch, dass es physikalische Grundprinzipien gibt, die sich nicht austricksen lassen und die daher auch vorab auf einer Plattform so kombiniert werden, dass ein funktionierendes Ganzes entsteht.

Der Glasanteil in der Fassade, der notwendige Anteil thermischer Speichermassen, die Wärme- und Kälteverteilmethode, die garantiert zu einem perfekten Raumkomfort führt, die tageslichtlenkende Jalousie, U-Wert, g-Wert und Tau-Wert des Glases, der Mietvertrag, der Betreibervertrag … - ich könnte hunderte von Parametern und Regeln nennen, die alle 1:1 vom Neubau auf die Sanierung zu übertragen sind. Warum soll also eine Plattform auf Sanierungen nicht wirken?

Gibt es in Zukunft die Eierlegendewollmilchsau?

Bleibt noch die Frage, ob denn Bürogebäude, Wohnungsbau, Kita, Hotel, Krankenhaus, Industrie- und Logistikhalle, Neubau und Sanierung eine einzige Technologieplattform sein können? Ein klares ja würde ich hier nicht abgeben wollen, ohne es aktuell durchdenken oder abschätzen zu können. Aber manche Assetklassen ähneln sich so stark, dass ich mir sicher bin, dass sich übergreifende Technologieplattformen bauen lassen. Großartig ist, dass die Übertragung des einmal Gelernten auf andere Assetklassen mit deutlich weniger Aufwand und sehr schnell erfolgt. Das Ergebnis ist dabei jedes Mal deutlich besser, als es mit dem klassischen Vorgehen erreichbar ist.

Fazit

Eine Technologieplattform für Immobilien unterscheidet sich deutlich vom traditionellen Produktgeschäft, indem sie dauerhafte, datengetriebene und skalierbare Einnahmequellen schafft und ein ökosystembasiertes Wertschöpfungsmodell verfolgt. Das Plattformgeschäft erfordert ein ausgewogenes Zusammenspiel der Rollen: Der Betreiber muss attraktive Mehrwerte bieten und Partner einbinden. Nutzer profitieren von neuen Services und Drittentwickler und Lieferanten erweitern das Angebot, wovon letztlich alle Seiten profitieren. Gelingt dieses Zusammenspiel, entsteht eine überlegene Plattform, da viele Spezialisten in ihr wirken und da viele tausend Stunden Arbeit und Zeit im Projekt gespart werden können.

So haben unsere Netzwerkpartner (Drittentwickler) für BOB einen Legobaukasten aus Flächenmodulen, mehrere Designlinien für Möbel, eine eigene Wärmepumpe mit weltrekordverdächtiger Energieeffizienz, eine Lampe aus Blech anstelle von Aluminium, ein juristisches Betreiberkonzept (Contracting) und eine Hydraulik für das Kühlsystem entwickelt, die eine 100 %ige Kühlung über Erdkälte (also ohne Kältemaschine) ermöglicht.

Die Technologieplattform ist also das hocheffiziente Werkzeug, das einem Seriensystem Agilität und ungeahnte Innovationskraft einhaucht. Eine smarte Plattformarchitektur ist der Garant dafür, dass das vielfältige und interdisziplinäre Wissen zu überlegenen Lösungen verschmolzen wird.

Ausblick

Im nächsten Teil dieser Newsletter-Reihe werde ich über die serielle Sanierung zu klimaneutralen Bürogebäuden schreiben. Dieses wichtige Thema der nächsten Jahrzehnte benötigt dringend ein serielles Vorgehen, damit intelligente und bezahlbare Lösungen bei gleichzeitig fehlenden Fachkräften entstehen.

BOB Gründer Dr. Bernhard Frohn, Vorstand

Über den Autor Dr. Bernhard Frohn

Schon früh beschäftigte sich Dr. Bernhard Frohn mit dem Unternehmersein. Nach dem Studium des Maschinenbaus an der RWTH Aachen promovierte er im Bereich Photovoltaik und machte sich sofort selbständig. Als Energieeffizienzberater für Bestandsimmobilien und Neubauten verdiente er das erste Geld. Durch den Bau des eigenen Bürogebäudes, dem Balanced Office Building in Aachen, lernte er die Faszination für Architektur aber auch die Komplexität bei dem Bau eines Bürogebäudes kennen. Denn hier spielen nicht nur Themen wie Technik, Gebäudeorganisation oder gar Bauabläufe eine Rolle. Es sind vor allem die Themen des Unternehmertums und der Gestaltung neuer Arbeitswelten, die für Bernhard Frohn aus einem scheinbar simplen Büro eine echte Herausforderung in einer digitalisierten Welt machen. Daher schreibt er auf diesem Blog über ein breites Spektrum an Themen und hat viel Freude daran, neue zu entdecken.