
Serielles Bauen - Megatrend 2040
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Mit einem Megatrend wird allgemein ein langfristiger, globaler und tiefgreifender Wandel beschrieben, der Gesellschaft, Wirtschaft, Technologie und Kultur nachhaltig beeinflusst. Ich lehne mich also weit aus dem Fenster, wenn ich diesen Begriff nutze. Allerdings hat die Unternehmensberatung McKinsey in einer Studie aus dem Jahr 2024 die Wirtschaftszweige mit dem größten wirtschaftlichen Wachstum identifiziert. Neben Künstlicher Intelligenz (KI), E-Commerce, Elektroautos oder auch Halbleitern wird tatsächlich Modulares Bauen als stark wachsender Wirtschaftszweig genannt. Das nachfolgende Diagramm zeigt den Marktanteil in 2022 und in 2040 (=100%).
relatives Wachstumspotential der wachstumsstärksten Branchen, Quelle: McKinsey
Warum soll Modulares Bauen ein Megatrend sein und warum spreche ich in der Überschrift von seriellem Bauen? Ich werde diese Fragen versuchen zu beantworten. Um der Komplexität des Themas insgesamt gerecht zu werden, erstelle ich eine Newsletter-Reihe zu dem wichtigen Thema.
Unter anderem geht es auch um Disruption, da mir klar geworden ist, dass Serielles Bauen eine Revolution ist, die das Bauen und auch die Entwicklung von Immobilien neu erfinden wird. Das sind große Worte, aber da wir als BOB seit 10 Jahren an dieser disruptiven Idee arbeiten, weiß ich mittlerweile, dass sie Erfolg haben wird. Apropos Bauen. Mit dem Begriff „Bauen“ meine ich immer Neubau und Sanierung. Während sich beim Neubau vermeintlich serielles Bauen schnell als Methode jedem erschließt, meint man, dass Sanieren doch hoch individuell ist. Diese Aussage stimmt und sie stimmt nicht. Sie merken, wir müssen differenzieren, daher ist schon das Thema Sanierung einen eigenen Newsletter Beitrag wert.
Schnallen Sie sich an, es geht los:
Das Ziel
Zunächst möchte ich das Ziel beschreiben. Warum sollen wir uns mit seriellem und modularem Bauen eigentlich beschäftigen? Ganz einfach. Weil wir die Qualität eines Produktes bei gleichzeitig stets sinkenden Kosten stetig verbessern sollten, sofern wir am Markt erfolgreich sein wollen. Die These „Klimaneutrales und ESG-konformes Bauen oder Sanieren ist teurer“ hat sich zum Beispiel in den Köpfen verfestigt und ist überholt. Es ist möglich, zu normalen Baukosten klimaneutrale, ESG-konforme und smarte High-Tech Bürogebäude zu entwickeln. Wie? Das werde ich in der Newsletter-Reihe zu dem Thema darstellen.
Es wird also ganz viel um das Thema Einsparung von Investitionskosten gehen und das ohne Qualitätseinbuße und auf jeden Fall mit nachgewiesener Klimaneutralität. Zu den Investitionskosten gehören in der Immobilienbranche die Grundstückskosten, die Planungskosten, die Kosten für Dienstleitungen (Berater, Projektentwickler, Fachexperten, Anwälte, Steuerberater, Sondergutachter…), die Baukosten und die Finanzierungskosten. Und auch um den Gebäudebetrieb wird es in der Newsletter-Reihe gehen, da Einsparungen in diesem Bereich zwar nicht die Investitionskosten mindern, aber die Kaltmiete erhöhen können, wenn denn der Mieter maßgeblich Energie- und Nebenkosten einspart. Erhält der Investor eine höhere Kaltmiete oder einen höheren Verkaufspreis relativiert das das Thema Investitionskosten.
Serielles und modulares Bauen
Was ist was? Ich habe die KI-Chatbots ChatGPT und auch Perplexity befragt und bekomme von beiden eine Antwort, die mich nur teilweise zufriedenstellt und die den eigentlichen sensationellen Kern des Seriellen Bauens nur in Teilen trifft. Da die beiden KI-Tools ihr Wissen aus Millionen von Websites beziehen, scheinen die Aussage dem Mainstream zu entstammen. ChatGPT gibt folgende Zusammenfassung:
- „Serielles Bauen konzentriert sich auf die wiederholbare, industrielle Produktion einzelner Bauelemente nach standardisierten Mustern, die für verschiedene Projekte einsetzbar sind.“
- „Modulares Bauen setzt auf die Vorfertigung ganzer, voll ausgestatteter Raummodule, die wie „fertige Bausteine“ an der Baustelle zusammengesetzt werden.“
Die Abgrenzung von Modularem Bauen gefällt mir schon recht gut, Serielles Bauen hat aber deutlich mehr Kraft, als es die Beschreibung darstellt. Dazu lohnt ein Blick in andere Branchen.
Serielles Bauen in der Automobilindustrie
Mein Lieblingsbeispiel Automobilbranche muss immer herhalten, da diese Branche gerade in Deutschland am meisten Berührungspunkte liefert, was das Verstehen erleichtert. Ich könnte aber auch Smartphones, Herzpumpen (der Marktführer sitzt in meiner Heimatstadt), Halbleiter oder Photovoltaik als Produkte nennen. Bei allen vollzieht sich bei der Evolution der Produkte immer dieselbe Systematik.
Henry Ford ist uns als Pionier der Serienfertigung bekannt. Erst das Model T und dann das Modell A wurden in immer größer werdenden Stückzahlen pro Jahr produziert. Das Model T gab es schon mit unterschiedlichen Karosserien und war ab Werk in vielen Varianten lieferbar, zum Beispiel als Coupé, Cabriolet oder sogar Lastkraftwagen. Allerdings waren die Varianten, die auf einer Fertigungslinie produzierbar waren, noch gering. Diese Art der Serienfertigung würde ich in Analogie zur Immobilienbranche als Fertighaus bezeichnen. Fertighäuser der klassischen Art, haben eine sich wiederholende Optik mit wenigen technischen Varianten. Sie bieten aber gute Qualität zum guten Preis, sind also schon einmal ein Lösungsweg.
Machen wir einen Sprung in das Heute. Heute gibt es bei PKW-Herstellern eine Plattformstrategie. Eine Plattform besteht aus abstrakten Parametern und Zieleigenschaften für das Produkt, die aber so ausgewählt sind, dass auf der Plattform viele, sehr viele unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden können. Eine Plattform besteht auch aus Schnittstellen, an denen Kunden (Konfigurator), Lieferanten oder Mitarbeitende andocken können. Und dabei ist alles möglichst mit allem über Software vernetzt. Warum ist eine solche Systemarchitektur notwendig? Weil wir als Gesellschaft so viel Wissen haben, das bei den Produkten angewendet werden sollte und weil die Vielfalt der Varianten eines Produktes sehr hoch sein kann. Wenn Sie ihn noch nicht gelesen haben, dann lesen Sie gerne meinen Newsletter Beitrag zum Thema „Kombinatorik“. Dieser zeigt auf, dass tatsächlich nur wenige PKWs auch derselben Marke und desselben Typs exakt gleich sind. Die Anforderung an die Produktionsvielfalt ist also weiter gewachsen und die PKW-Hersteller beherrschen diese Vielfalt. Bei Immobilien gibt es dieselbe Produktvarianz und damit ist ein Kernproblem für ein Immobilienprodukt beschrieben. Wie beherrschen wir diese Vielfalt?
Parameter, Zieleigenschaften und Fertigungslinie sind bei den PKW-Herstellern so aufeinander abgestimmt, dass die maximale Varianz mit den geringsten Investitionskosten für das Produkt möglich wird. Und so ist es sogar denkbar, dass eine Fertigungslinie „einmal eben“ von Dieselmotoren auf Elektromotoren umgestellt wird. Leider wissen die vielen Kritiker der deutschen Automobilfirmen gar nicht, was das bedeutet, was die Firmen in den letzten Jahren leisten mussten. Natürlich ist es viel einfacher, Elektroautos zu bauen, wenn Sie mit der Neuproduktion auf der grünen Wiese anfangen. Daher ist es für mich vollkommen nachvollziehbar, dass neue Firmen mit Gründern aus ganz anderen Branchen die deutschen Automobilhersteller rechts und links überholt haben. Das war gar nicht anders möglich. Wer die gesamte „Mechanik“ von großen Firmen verstehen will, der lese bitte das Buch „The Innovators Dilemma: Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren“ von Clayton M. Christensen. Ich denke übrigens nicht, dass es für große Firmen gleich ums Verlieren geht, vor allem dann nicht, wenn große Firmen mit kleinen Innovatoren kooperieren, wie es Google regelmäßig vormacht.
Kommen wir zurück zu dem Pionier der Serienfertigung Henry Ford. Eine Komponente fehlte ihm, um über eine hoch variante Plattformstrategie nachzudenken: die Software. Software kann zukünftige Eigenschaften simulieren, kann Stresstests für Eigenschaften durchführen und kann im Betrieb des Produktes Daten sammeln, um daraus zu lernen. Die Komplexität eines Produktes ist heute so hoch (da wir so viel wissen), dass ohne ein lernendes System (also Trial and Error) eine Produktentwicklung unmöglich ist. Daher gehören Daten, Daten und Daten die Zukunft. So können also in Zukunft extrem abstrakte und wirksame Plattformen entwickelt werden.
Als hätte ich es mir gewünscht, kommt jetzt noch die KI (Künstliche Intelligenz) als Instrument für die Entwicklung hoch intelligenter Plattformen hinzu. Natürlich gibt es KI schon sehr lange, jetzt wird sie aber in Tools übersetzt, die die Anwendung sehr einfach machen. Was mit diesem „Tool“ möglich sein wird, wird uns alle noch überraschen.
Ausblick: Plattform für Serielles Bauen von Immobilien
Um den Plattformgedanken auf die Immobilienbranche zu übertragen, sind einige Regeländerungen notwendig. Zunächst bräuchten wir Plattformanbieter. Mit Fertighausherstellern und einigen Bauunternehmen gibt es solche Anbieter bereits. Wir selbst sind als Technologieunternehmen in der Immobilienbranche ein vollkommen neuer Weg. Was uns unterscheidet, werden Sie bei weiteren Newslettern erfahren.
Als nächste Regeländerung müssen diejenigen, die Immobilien bauen oder sanieren lassen wollen, bei den Plattformanbietern (wie aktuell bei den PKW-Herstellern) ein Stück Immobilie inklusive Service im Produktbetrieb bestellen können. Warum schreibe ich diese Selbstverständlichkeit? Weil Bauherren und Bauherrinnen oder Bestandshalter (noch) gewohnt sind, den Prozess selbst zu steuern also nicht „ein Stück“ zu bestellen. Das ist dann in Ordnung, wenn die Bauherrenschaft selbst eine Plattform für sich entwickelt hat. Ist das nicht der Fall, kann vorausgesagt werden, dass das Ergebnis nicht optimal sein wird. Man stelle sich vor, jeder oder jede von uns würde ein Auto nach den eigenen Vorgaben bauen lassen. Ich denke, dass vielleicht 0,00001 % der Bevölkerung dazu in der Lage wäre. Warum soll das bei immer komplexer werdenden Immobilien anders sein?
Eine weitere Regeländerung für die Immobilienbranche müssen dann die Plattformanbieter selbst vornehmen. Der Gedanke, die Planer und Lieferanten mit einer groben Leistungsbeschreibung einzukaufen, funktioniert nicht mehr. So ist zum Beispiel das Leistungsbild der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) vor Jahrzehnten für die Entwicklung von Unikaten entstanden. Mit Vorplanung, Entwurfsplanung, Ausführungsplanung und Montageplanung gibt es vier iterative Schleifen, die in unterschiedlicher Detailtiefe jedes Mal das gesamte Bauvorhaben durchdenken. Das ist für Unikate mit maximaler Kreativität sämtlicher Gewerke so unbedingt notwendig und auch sehr gut entwickelt. Aus der Sicht eines Serienproduktes handelt es sich dabei um Verschwendung von Geld und menschlicher Arbeitskraft. Die Kunst für eine Plattform besteht am Beispiel der Planung darin, der Architektur und Innenarchitektur (Design des Produktes) die kreative Varianz zu ermöglichen und gleichzeitig die Varianten für die Fachplaner und Experten schon auf der Plattform und nicht erst im individuellen Projekt gelöst zu haben.
Denkt man die Möglichkeiten einer Plattform in diesem Sinne weiter, dann reicht es nicht, wenn wir das Serielle oder Modulare Bauen nur als Vorfertigung definieren. Das ist offen gestanden der Evolutionsschritt, den Henry Ford schon vor hundert Jahren vorgenommen hat. Warum Vorfertigung als Methode nicht ausreicht, möchte ich am Beispiel der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) erläutern.
Die technischen Komponenten werden vom TGA-Planer ausgelegt. Dazu fließen die Wünsche des Bauherren, die Wünsche der Nutzer, die Art der Nutzung, der architektonische Entwurf, die Anforderungen von Förderbedingungen, die zahlreichen Gesetze und Richtlinien und die Umgebungsbedingungen wie das Klima der nächsten Jahrzehnte unter Berücksichtigung des Klimawandels in die Berechnung ein. Der TGA-Planer kann jetzt auf diese Wünsche und Anforderungen eingehen und diese nicht hinterfragen. Oder er hinterfragt diese, was dann aber vom Bauherrn, vom Architekten und allen Beteiligten toleriert und unterstützt werden muss. Hat sich der Bauherr schon in seine vollverglaste Fassade verliebt, wird er sich ungerne vom TGA-Planer hineinreden lassen.
Nehmen wir an, es läuft idealtypisch, dann werden der Experte für Gebäudesimulation, der mit seinem Tool in die Zukunft schaut, und der TGA-Planer einen iterativen Prozess von Optimierungen gemeinsam mit Architekt oder Architektin anstoßen. Die Auswirkungen auf die Investitionskosten, auf die Energiekosten, auf das Raumklima, auf die Resilienz des Systems, auf die Bedienbarkeit des Systems, auf die Klimaneutralität, auf die Ressourceneffizienz und andere Aspekte der Nachhaltigkeit werden jetzt für alle Varianten erarbeitet und miteinander verglichen. Sie hören schon heraus, dass hier viel Zeit und viel Geld im Einsatz ist und dass Bauherr oder Bauherrin herausgefordert sind, komplexe Entscheidungen in einem multidimensionalen Entscheidungsraum zu treffen. Was ist wichtiger - Ressourceneffizienz oder Investitionskosten, Klimaschutz oder ein gutes Raumklima…?
Ich sehe nicht, dass es realistisch ist, die oben beschriebenen und noch vielen weiteren Herausforderungen wirklich im Unikat zu bewältigen. Kein Prozess läuft idealtypisch und so laufen die Kosten weg und die Ziele werden nicht erreicht. Und hier kommt das Serielle Bauen ins Spiel. Wenn man das Serielle Bauen als Seriensystem begreift und eine Plattform wie in anderen industriellen Branchen entwickelt, dann wird die Komplexität zwar nicht geringer, aber da nicht nur der Sanitärkern, sondern auch das klimaneutrale Technikkonzept „vorgefertigt“ sind, wird das Projekt von vielen Aufgaben mit hoch komplexen mehrdimensionalen Entscheidungen, für die es hoch spezialisierte Fachleute braucht, befreit.
Mit einer Plattform ist es also möglich, folgende Eigenschaften zu liefern:
- variable Architektur, variable Größe, variable Nutzung (Multiuse) und variable Materialität,
- identische Funktion und identische Qualität (Energie- und Nebenkosten, Klimaneutralität, ESG-Konformität, Flächeneffizienz, Raumklimakomfort, Usability für die Bedienung, Kreislaufwirtschaft…),
- geringe Investitionskosten,
- ein transparentes Kostenmodell, über das weitere Qualitäten und Funktionen eingekauft werden können (Konfigurator)
- und ein sicherer Prozess sowie ein sicheres Lieferdatum.
Fazit
Es hat schon seinen Grund, dass man bei der Bestellung eines PKWs nur das im Konfigurator auswählen kann, was alle Experten des Anbieters (Kaufleute, Juristen, Designer, Ingenieure, Nachhaltigkeitsexperten…) vor der Bestellung durchdacht, entwickelt und in der PRAXIS getestet haben. Dieses Gedankengut ist über die Plattformanbieter auf die Bau- und Immobilienbranche und deren Kunden zu übertragen.
Ich empfehle, die Methoden des Seriellen und Modularen Bauens auf die heutigen Möglichkeiten fortzuschreiben und nicht nur die Lieferung von vorgefertigten Bauelementen als Potential zu sehen. Wenn nur das gelöst wäre, blieben sehr viele Herausforderungen gerade des ESG-konformen und klimaneutralen Bauens ungelöst.
Zukunftsweisendes Bauen und Sanieren sollte mit den heutigen Erkenntnissen aus der Systemtheorie und mit den modernen Mitteln von Software und KI so angelegt sein, dass es aus einem abstrakten Parameterraum über eine Plattform mit eingespieltem Liefernetzwerk Immobilien erzeugt, die die Eigenschaften liefern, die oben beschrieben sind. Und dann und auch nur dann ist es möglich, auch die Sanierung tatsächlich seriell umzusetzen. Letzteres ist zwingend notwendig. Wir werden für die klimaneutrale Sanierung unseres Immobilienbestandes weder die finanziellen (Krise und Transformation) noch die menschlichen (demographischer Wandel) Ressourcen haben, wenn wir jeden Bestand wie ein Unikat behandeln.
Ich hoffe, dass Ihnen dieser erste Teil der Serie zum Seriellen Bauen gefallen hat. Ich lebe von Feedback, daher geben Sie mir gerne eine Rückmeldung. In der weiteren Newsletter-Reihe wird es um folgende Themen gehen:
- Ist das Ganze mehr als die Summe der Teile?
- Vorteile des seriellen Bauens
- Was ist eine Immobilien-Plattform?
- Können Immobilien seriell saniert werden?
- Einsatzbereiche des seriellen Bauens
- Herausforderungen und Grenzen des seriellen Bauens
- Vorteile des seriellen Betreibens von Immobilien
- Politische und rechtliche Rahmenbedingungen für das serielle Bauen
- Bedeutung der Digitalisierung für das serielle Bauen
- Praxisbeispiel: BOB-Serienprodukt