Wirtschaftlichkeit

Serielle Sanierung

20. Mai 2025 von Dr. Bernhard Frohn
aktualisiert am 
26. Mai 2025

In den Teilen 1-3 dieser Beitragsreihe zum Seriellen Bauen (siehe unten) habe ich die Marktbedeutung, den Nutzen von Seriensystemen und den Nutzen einer Technologieplattform erörtert. In diesem 4. Teil geht es um eine der wichtigsten Aufgaben in der Immobilienwirtschaft für die nächsten Jahrzehnte: die Gebäudesanierung und die Frage, ob auch diese seriell sein kann.

Die Transformation von gesellschaftlichen, ökologischen, technischen, wirtschaftlichen, geopolitischen oder demografischen Teilsystemen wird eine Zukunft formen, auf der kaum ein Stein auf dem anderen bleiben dürfte. Und selbstverständlich trifft dies auch die Immobilie. Bill Gates hat zurecht gesagt: „Wir überschätzen immer die Veränderungen, die in den nächsten zwei Jahren eintreten werden, und unterschätzen die Veränderungen, die in den nächsten zehn Jahren eintreten werden.“ Hätten Sie im Jahr 2015 gedacht, dass ein Krieg in Europa stattfindet, dass Gas als Energieträger per Schiffen zu uns transportiert werden muss, und hätten Sie gedacht, dass eine KI kostenlos verfügbar ist, die menschliche Arbeit in vielen Teilen ersetzt? Daher müssen gerade Immobilien, die einen Lebenszyklus von mehreren Jahrzehnten haben, sich bereits heute neu erfinden.

Neupositionierung von Immobilien

Was gerade die Asset-Klasse Büro erlebt hat, ist ein Vorgeschmack auf diese Entwicklung für die gesamte Immobilienbranche. Charakter der aktuellen Transformation ist die hohe Geschwindigkeit der Veränderung. Und das mögen Immobilien gar nicht. Für Produkte, die über mehrere Jahre entwickelt werden, um dann einen Lebenszyklus von 80 Jahren haben zu können, ist Dynamik wie das Weihwasser für den Teufel. Daher ist es kein Wunder, dass in den vergangenen fünf Jahren seit Beginn der Corona-Pandemie die Immobilienbranche heftig durcheinandergewirbelt wurde. Rahmenbedingungenbedingungen wie die Baukosten, die Finanzierungskosten oder die Verkaufspreise haben sich dynamisch verändert, so dass sich als Konsequenz eine Insolvenzwelle in der Größenordnung eines Tsunami durch die Immobilienbranche gewälzt hat. Milliarden von Euros wurden vernichtet. Und dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen.

Es kann also bei der Sanierung von Immobilienbeständen nicht nur um eine bauliche Sanierung gehen, sondern die Eigentümer müssen eine Neupositionierung vornehmen. Die Neupositionierung beschäftigt sich zuallererst mit der (nachhaltigen) Lage der Immobilie und leitet daraus dann die Art der Nutzung, die Markttauglichkeit und sämtliche Qualitäten im Sinne der oben genannten Megatrends ab. Die Neupositionierung wird sich darüber hinaus auch mit Mietlaufzeiten und vielen anderen vertraglichen Themen beschäftigen müssen. Wie immer, wenn Menschen durch externe Effekte an Kontrolle verlieren, verändert sich die Risikobereitschaft erheblich. Auch das wird Einfluss auf das Produkt Immobilie haben müssen. Wir benötigen eine deutlich größere Resilienz hinsichtlich der Nutzung, der Rendite oder möglicher Schadensereignisse durch den Klimawandel.

Wenn im nachfolgenden also von Sanierung die Rede ist, dann ist damit immer auch der ganzheitliche und deutlich komplexere Prozess der Neupositionierung gemeint. Auch für die Neupositionierung gibt es sich wiederholende Aufgaben und für die Bewertung der Lage und der Nutzungstypen wird es in Zukunft viele Daten basierte – und damit auch serielle – Auswertungen geben.

Wie soll Sanierung seriell funktionieren?

Ich höre immer wieder, dass eine Sanierung ja individuell sei und daher doch kein Serielles System zum Einsatz kommen könne. Dazu gebe ich zwei Antworten:

 

  • Vielleicht haben Sie meinen Newsletter zur Kombinatorik gelesen oder tun dies noch. Ich habe dort vorgerechnet, dass ein Konfigurator für einen Neubau-PKW mit 50 frei wählbaren Features dazu führt, dass die Hersteller 1.000.000.000.000.000 verschiedene Autos DESSELBEN Typs herstellen müssten. Jetzt wissen Sie, warum es Pakete in den Konfiguratoren gibt. Dennoch bleibt es dabei, dass auch der Neubau von PKWs und auch von Immobilien eine unglaublich hohe Varianz hat. Warum sind also Neubauten einfacher als Sanierungen? Ich finde dafür keinen Grund. Bei einer Sanierung gibt es vorgegebene Randbedingungen, wie Gebäudetiefe, lichte Höhe, statische Tragbarkeit, verwendete Materialien etc. Das ist der Unterschied, in meinen Augen, aber der einzige. Und wenn ich öfter höre, dass es bei Sanierungen Überraschungen im laufenden Prozess gibt, dann würde ich den Grund dafür in einer mangelhaften Analyse des Ist-Zustands suchen. Wir leben im 21. Jahrhundert mit Tools, die vor 50 Jahren undenkbar waren. Wir können Tiefsee-Pipelines im Meer mit Satelliten aus dem Weltall beobachten, daher sollte die Analyse eines Immobilienbestandes erst recht  fundiert möglich sein. Ein digitales BIM-Modell eines Bestandes zum Beispiel wird heute in wenigen Tagen aus einer automatisiert aufgenommenen Punktwolke erzeugt. Und danach geht es darum, das BIM-Modell wie auch bei einer Neubauplanung mit Daten zu füllen.
  • Die Tätigkeiten für Planen, Bauen und Sanieren bestehen zu einem Großteil aus organisatorischen, juristischen, kaufmännischen und qualitätssichernden Prozessen. Und diese Prozesse sind bei Neubau und Sanierung quasi identisch. Nur die technische Analyse und die technischen Lösungen unterscheiden sich. Allerdings erkennt man auch hier nach einigen Sanierungen sich wiederholende Lösungen.

Es gibt daher keinen Grund, warum die Sanierung nicht ein serielles System sein kann.

Sanierung im Lebenszyklus

Eine Herausforderung für die Serielle Sanierung stellt die Tatsache dar, dass Immobilien in Schritten saniert werden müssen. Gäbe es nur Kernsanierungen, wäre die Aufgabe einfacher. 20 oder 30 Jahre alte Immobilien, die eine erste Sanierung benötigen, sollten aber über noch viele erhaltenswerte (Beispiel Fassade) Bauteile verfügen, so dass jede Sanierung an einem gewissen Punkt des Lebenszyklus‘ andockt.

Daher ist ein Vorgehen in vielen Teilschritten notwendig. Jeder Teilschritt kann dabei 10 bis 20 Jahre auseinander liegen. Damit dies einen Sinn ergibt und keine Sanierungsmaßnahmen beim nächsten Schritt rückgebaut werden müssen, ist ein Zielzustand für die Immobiliensanierung zu entwickeln, der eben über Teilschritte erreicht wird. Warum ist das wichtig? Dazu möchte ich ein Beispiel anführen.

Nehmen wir an, für eine Immobilie aus dem Baujahr 2002, die nach der Energieeinsparverordnung 2000 gebaut wurde, soll die Heizungstechnik saniert werden. Wird diese jetzt saniert und wird zehn Jahre später die Fassade saniert, dann ist die Heizungstechnik zu diesem Zeitpunkt überdimensioniert, da der Wärmedämmstandard verbessert wurde. Eine überdimensionierte Heizungstechnik arbeitet dann über viele Jahre in einem sehr niedrigen Teillastbetrieb und ist daher ineffizient. Würde die Heizungstechnik als Kaskade aus mehreren Teilsystemen (Teilung der Heizleistung) ausgelegt werden, kann eines der Systeme nach der Fassadensanierung abgeschaltet werden, während das andere den Betrieb im optimierten Betriebspunkt übernimmt. Wüsste man also den Zielzustand, dann könnte man von vornherein den richtigen Sanierungspfad einschlagen.

Unser Seriensystem BOB ist ein Beispiel für einen definierten Zielzustand. Alle Teilsysteme für zum Beispiel ein gesundes Raumklima, die optimierten Tageslichtsysteme, New Work-Modelle, der klimaneutrale Gebäudebetrieb, die Bedienung des Gebäudes, die selbstfahrende Regelung und viele Services wie zum Beispiel eine Nebenkosten- und Energiekostenpauschale sind definiert. Eine Sanierung wird so zu einem Neubau auf Raten.

Fazit

Die wichtigste aller Aufgaben in der Immobilienwirtschaft in den nächsten Jahrzehnten ist die Neupositionierung von Immobilien. Wer dies über klassische Verfahren erreichen möchte, hat sich noch nicht mit dem demografischen Wandel beschäftigt. Dieser ist brutal und raubt uns Fachkräfte. Und da Angebot und Nachfrage sicher auch in der Zukunft den Preis bestimmen werden, werden die Kosten einer Sanierung von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer weiter steigen. Das können wir nicht gebrauchen, denn die Neupositionierung einer Immobilie funktioniert nur dann, wenn sie anschließend Geld verdient. Nachhaltiges Handeln bedeutet immer ein ganzheitliches Vorgehen für People, Planet und Profit. Und nur wenn alle Aspekte erfolgreich erreicht wurden, ist die Immobilie wirklich nachhaltig und behält oder steigert ihren Wert.

Es gibt daher meiner Meinung nach für alle Assetklassen, die nicht im Luxussegment zu verorten sind, keine Alternative als die Entwicklung von Seriensystemen.

Ausblick

Seriensysteme hören sich nach Einheitsmodell und Einheitsarchitektur an. Und als wir vor einem Jahrzehnt mit dem Thema begonnen hatten, hatten wir tatsächlich auch die Befürchtung, dass unsere Idee gerade bei der Architektur zu immer denselben Gebäuden führen würde. Das war nicht unser Ziel und zum Glück, ist dies auch nicht der Fall. Warum das so ist, fußt auf einer Gesetzmäßigkeit, die auch in der Industrie zu beobachten ist und die durch Digitalisierung noch befeuert wird. Es geht um das Prinzip der Massenindividuellen Fertigung. Das hört sich für den nächsten Newsletter wieder nach einem Blick in eine andere Branche an und das wird es auch werden.

 

BOB Gründer Dr. Bernhard Frohn, Vorstand

Über den Autor Dr. Bernhard Frohn

Schon früh beschäftigte sich Dr. Bernhard Frohn mit dem Unternehmersein. Nach dem Studium des Maschinenbaus an der RWTH Aachen promovierte er im Bereich Photovoltaik und machte sich sofort selbständig. Als Energieeffizienzberater für Bestandsimmobilien und Neubauten verdiente er das erste Geld. Durch den Bau des eigenen Bürogebäudes, dem Balanced Office Building in Aachen, lernte er die Faszination für Architektur aber auch die Komplexität bei dem Bau eines Bürogebäudes kennen. Denn hier spielen nicht nur Themen wie Technik, Gebäudeorganisation oder gar Bauabläufe eine Rolle. Es sind vor allem die Themen des Unternehmertums und der Gestaltung neuer Arbeitswelten, die für Bernhard Frohn aus einem scheinbar simplen Büro eine echte Herausforderung in einer digitalisierten Welt machen. Daher schreibt er auf diesem Blog über ein breites Spektrum an Themen und hat viel Freude daran, neue zu entdecken.