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Das pandemietaugliche Büro

15. Oktober 2020 von Dr. Bernhard Frohn
aktualisiert am 
15. Oktober 2020

Eines kann man uns Deutschen dann doch nicht nachsagen, dass wir nicht agil wären, wie man heute in modernem „Unternehmersprech“ sagen würde. Vorsicht Ironie folgt! Sobald Digitalisierung wichtig zu sein scheint, sind alle Produkte plötzlich digitalisiert. Sobald die Jugend freitags für den Klimaschutz demonstriert, kümmern wir uns um den Klimaschutz. Und plötzlich ist alles und jeder nachhaltig, da er oder sie am Wochenende im Wald spazieren geht, zu Fuß versteht sich und ohne fossile Energie. Vor kurzem hörte ich von Eltern, die stolz von ihrer Tochter erzählten, dass diese bei Wind und Wetter freitags für den Klimaschutz demonstriert. Da hätten sich, so die Eltern, die Kinder doch auch einmal einen Urlaub verdient, mit dem Flugzeug versteht sich. Das ist kein Scherz, das wurde tatsächlich gesagt. Soviel zum Thema Konsequenz.

Und jetzt eben die Pandemie. Überall sprießen Lösungen aus dem Boden. Im Prinzip ist es ja gut, wenn wir uns mit zeitgemäßen Themen beschäftigen und teilweise entstehen tatsächlich kreative Lösungen. Häufig fehlt aber die fachliche Tiefe. Schnellschüsse führen meist nicht zu guten Lösungen. Nur das ist zu bemängeln. Ansonsten ist es fantastisch, wenn wir uns konstruktiv mit Lösungen für eine lebenswerte Gegenwart und Zukunft befassen.

Was ist also mit dem pandemietauglichen Büro, gibt es das? Nach dieser Vorbemerkung soll eine sehr sachliche Auseinandersetzung folgen, die auf den Kern eingeht.

Wie sich Covid 19 verhält

Von den Virologen haben wir gelernt, dass sich Covid 19 über Aerosole verbreitet. Das sind kleine Luftpartikel teilweise in Nanometergröße, die stundenlang in der Luft schweben können. Atmet ein mit dem Virus befallener Mensch Luft aus, erzeugt er diese Aerosole und kann andere anstecken. Beim Ausatmen werden die Aerosole in alle Himmelsrichtungen verstreut, so dass mit wachsender Entfernung die Konzentration abnimmt. Die Virologen sagen weiter, dass bei Covid 19 die empfangene Dosis entscheidend für den Krankheitsverlauf ist. Ist die Dosis zu gering, erfolgt keine krankhafte Ansteckung des Menschen. Daher wurden die AHA-Regeln entworfen: Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmaske tragen. Der Abstand und die Maske sorgen dafür, dass die Konzentration der Aerosole abnimmt. Die Experten empfehlen einen Mindestabstand von 1,50 m. Und die Hygiene sorgt dafür, dass wir zum Beispiel nicht per Schmierinfektion das Virus übertragen. Es scheint zwar bei Covid 19 nachgewiesen zu sein, dass das Virus nicht per Schmierinfektion übertragen wird, aber wenn wir hier von einem pandemietauglichen Büro sprechen wollen, dann sollten auch andere Viren betrachtet sein.

Abstand im Büro

Was kann also ein Büro für die Mitarbeitenden tun? Betrachten wir zunächst den Abstand als Maßnahme. Moderne Bürogebäude haben heute einen so genannten Multi-Space-Grundriss. Dieser wurde für die sich ändernden Arbeitswelten entwickelt. Warum diese Grundrissform für Unternehmen, die an zukunftsweisenden Geschäftsmodellen arbeiten, wichtig ist, können Sie hier auch in anderen Blogbeiträgen nachlesen. Der Multi-Space-Grundriss verfügt über Büros an jeder Fassadenseite sowie eine breite und teilweise offene Mittelzone, die auf beiden Büroseiten einen Flur mit der klassischen Breite von 1,5 m bietet. In einem klassischen Flur kann daher der Abstand von 1,5 m nicht eingehalten werden und es ist fraglich, wie sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in einem solchen Flur begegnen sollen. Bei einem Multi-Space-Grundriss hingegen gibt es zwei Flure, so dass man zum Beispiel im Uhrzeigersinn alle Büros erreichen kann, ohne sich zu begegnen. Einen Multi-Space-Grundriss finden Sie zum Beispiel hier: http://www.bob-ag.de/de/bob-duesseldorf-airport/duesseldorf-airport-city-flaechen

Schreibtische mit den üblichen Maßen von 1,8 m * 0,8 m bieten zwar einen Abstand knapp über 1,5 m, aber da sich die Mitarbeitenden sehr lange in Büros aufhalten, ist es bei geschlossenen Büros ideal, wenn Doppelbüros nur mit einer Person belegt sind, so dass sich das Luftvolumen pro Person erhöht. Bei offenen Bürostrukturen auch neudeutsch Open-Space genannt, ist per Definition das Luftvolumen größer, da Wände weggelassen werden und sich Lufträume verbinden. Multi-Space-Grundrisse heißen übrigens so, da sie neben den klassischen geschlossenen Büros auch Open-Space im Mix anbieten können. Der Trend zu vielfältigen Bürostrukturen hat also auch eine Spur Pandemietauglichkeit.

Lüften, lüften, lüften

Neben Abstand zu halten, wirkt natürlich auch, die Aerosole einfach durch das geöffnete Fenster nach draußen zu schicken. Wir haben ja gemerkt, wie stark die Fallzahlen gesunken sind, nachdem wir uns mehr im Freien aufgehalten haben. Nun sehen wir, wie drastisch sie jetzt steigen, da wir uns mit vielen Menschen wieder in Räume begeben. Die Fensterlüftung ist also ein weiteres gutes Mittel zur Bekämpfung der Ausbreitung von Covid 19. Allerdings hat die Fensterlüftung ihre Tücken. Damit es wirklich zum wirksamen Luftaustausch kommt, muss entweder Wind auf der Fassade stehen oder der Temperaturunterschied zwischen drinnen und draußen muss groß sein. Das heißt im Herbst und Winter muss es draußen kalt sein, damit es zu einem spürbaren Luftwechsel kommt. Zusätzlich benötigen weiter von der Fassade entfernte Arbeitsbereiche eine Querlüftung, um den Frischluftstrom zu spüren. Das hört sich alles im Winter sehr ungemütlich an und das ist es auch. Für sitzende Menschen im Büro ist nichts krankheitsfördernder als ein kalter Luftstrom. Und wer will jetzt seinen Körper mit einer Erkältung schwächen, um sich dann bei einer Ansteckung mit Covid 19 nicht wehren zu können? Das ist richtig gefährlich. Die Fensterlüftung ist daher ein eingeschränktes Instrument. Besser ist eine mechanische Lüftungsanlage, die vorgewärmte Luft in den Raum einbläst und abgestandene Luft absaugt. Eine Lüftungsanlage erzeugt durch Über- und Unterdruck einen ständig gerichteten und gleichmäßigen kaum spürbaren Luftwechsel (wir sprechen hier nicht von einer Klimaanlage für den Sommer, von der wir auch kein Fan sind, denn diese ist alles andere als gesundheitsfördernd). Ein Luftwechsel von zum Beispiel 1 bedeutet, dass einmal pro Stunde die vollständige Luft ausgetauscht wird. Das wird die Aerosole definitiv nach draußen befördern.

HEPA-Filter

Häufig werden wir aktuell auch nach dem so genannten HEPA-Filter gefragt, der Aerosole filtern kann. Dieser macht bei einer Lüftungsanlage keinen Sinn, da die Anlage die Luft bei Bürogebäuden meist auf dem Dach ansaugt. Sollte also nicht oben auf dem Dach unmittelbar vor dem Lufteinlass eine Menschengruppe stehen, die mit Viren belastete Aerosole ausatmet, was wir wohl ausschließen können, dann kommen die Aerosole nur durch Menschen, die sich im Büro befinden, in die Raumluft. Und dort wirkt der Filter natürlich nicht. Findige Firmen sind allerdings aktuell dabei, eine Umluftanlage zu entwickeln, die im Büro die Luft ansaugt, durch einen HEPA-Filter von Aerosolen befreit und dann wieder im Büro ausbläst. Das würde zunächst einmal rein sachlogisch funktionieren. Da wir aber nur fundierten Messdaten trauen, müsste man hier wissenschaftlich nachprüfen, ob die Theorie auch in der Praxis funktioniert.

Hygiene im Büro

Wie schon eben erwähnt, scheint die Schmierinfektion nicht der zentrale Übertragungsweg für Covid 19 zu sein. Die normale Grippe oder auch andere Viren breiten sich aber sehr wohl auf diesem Weg aus. Daher ergibt es durchaus einen Sinn, im Sanitär- und im Eingangsbereich Spender mit Desinfektionsmitteln aufzustellen. Ein Reinigungsplan, der sich bis auf Telefone und Tastaturen erstreckt, ist ein weiteres Mittel, alle Flächen zu desinfizieren und Schmierinfektionen zu vermeiden. Und auch Hinweisschilder oder eine Software für das regelmäßige Händewaschen oder Desinfizieren wirken, wie wir an uns selbst festgestellt haben. Menschen sind eben Gewohnheitstiere und benötigen Unterstützung, um sich an neues zu gewöhnen. Die oben angesprochene Maske gehört natürlich auch zu den Mitteln der Hygiene zum Beispiel in Fluren oder Besprechungsräumen.

Homeoffice und Pandemie

Und schließlich gibt es noch die Möglichkeit des Homeoffice, die wir in den letzten Monaten alle kennengerlernt haben und die wir auch alle weiter nutzen werden. Das ist natürlich eine elegante Lösung, um Abstand zu halten oder einmal im Verdachtsfall zu Hause zu bleiben, ohne die Kollegen direkt mit der eigenen Anwesenheit zu gefährden. Das Thema Homeoffice hat allerdings auch seine Grenzen, die wir in einem eigenen Blogbeitrag behandeln werden.

Damit Homeoffice gut funktioniert, benötigt man neben der digitalen Ausstattung ein Buchungssystem im Büro. So kann der Mitarbeitende bei Bedarf Arbeitsplätze reservieren und es wird vermieden, dass dann doch wieder zu viele Kolleginnen und Kollegen physisch anwesend sind. Da die Anwesenheit im Büro also nur temporär ist, wird schnell der Bedarf nach abschließbaren Spinden entstehen, um private Dinge bei längerer Abwesenheit im Büro einschließen zu können.

Betrachtet man die Homeoffice-Lösung genauer, so hat sie dieselben Anforderungen, wie das so genannte Desk-Sharing. Das Desk-Sharing ist eine weitere Form der modernen Arbeitswelten, da Experten auch schon lange vor der Corona-Krise davon ausgingen, dass temporäre Anwesenheit im Büro für effizientes Arbeiten in Zukunft wichtig ist. Es zeigt sich hier erneut, dass die Corona-Krise als Beschleuniger für Themen wirkt, die Experten schon lange als sinnvoll erachten. Es ist schon lange bekannt, dass Krisen auch als Chancen wirken. Die Frage ist immer, was Menschen daraus machen.

Wir können gemeinsam viel tun

Zusammenfassend bei einer hoffentlich nüchternen Betrachtung kann man erkennen, dass die modernen Arbeitswelten tatsächlich einige sehr sinnvolle Lösungen anbieten, die während einer Pandemie hilfreich sind. Das sind:

  • Abstand und Laufwege als Einbahnstraße im Multi-Space-Grundriss
  • Organisation und Umnutzung von Büros
  • Open-Space-Bereiche mit größerem Luftvolumen
  • Abtransport von Aerosolen über mechanische Lüftungsanlagen
  • Hygienemaßnahmen, an die z.B. auch per Software erinnert wird
  • Homeoffice mit den Funktionen des Desk-Sharing
  • evtl. technische Möglichkeiten wie eine Umluftanlage mit HEPA-Filter

Hoffen wir einmal, dass wir die aktuelle Pandemie gut überstehen und wir möglichst lange von einer nächsten verschont bleiben. Wir als Bürogebäudeentwickler beschäftigen uns allerdings mit diesen Themen, da wir Produkte anbieten, die deutlich länger als 50 Jahre funktionieren sollen. Daher denken und handeln wir in sehr langen Zeiträumen.

BOB Gründer Dr. Bernhard Frohn, Vorstand

Über den Autor Dr. Bernhard Frohn

Schon früh beschäftigte sich Dr. Bernhard Frohn mit dem Unternehmersein. Nach dem Studium des Maschinenbaus an der RWTH Aachen promovierte er im Bereich Photovoltaik und machte sich sofort selbständig. Als Energieeffizienzberater für Bestandsimmobilien und Neubauten verdiente er das erste Geld. Durch den Bau des eigenen Bürogebäudes, dem Balanced Office Building in Aachen, lernte er die Faszination für Architektur aber auch die Komplexität bei dem Bau eines Bürogebäudes kennen. Denn hier spielen nicht nur Themen wie Technik, Gebäudeorganisation oder gar Bauabläufe eine Rolle. Es sind vor allem die Themen des Unternehmertums und der Gestaltung neuer Arbeitswelten, die für Bernhard Frohn aus einem scheinbar simplen Büro eine echte Herausforderung in einer digitalisierten Welt machen. Daher schreibt er auf diesem Blog über ein breites Spektrum an Themen und hat viel Freude daran, neue zu entdecken.