Nachhaltigkeit

Klimaneutrale Bürogebäude

09. April 2021 von Dr. Bernhard Frohn
aktualisiert am 
09. April 2021

Das Plusenergiehaus war einmal das Nonplusultra des Energie-effizienten Bauens. Das ist nun out, es lebe das klimaneutrale Bürogebäude! Jedenfalls begegnet uns dieser Begriff derzeit überall. Während für das Stichwort Plusenergiehaus bei Google noch 138.000 Seiten gefunden werden, bietet die Suche nach dem klimaneutralen Gebäude heute schon 1.000.000 Treffer. Alle wollen also klimaneutrale Gebäude bauen und bewerben das zum Teil auch aktiv. Aber was ist dran an diesem neuen Trend?

Was ist Klimaneutralität?

Also benötigen wir erstmal Klarheit: Was ist eigentlich Klimaneutralität? Wikipedia bringt es auf den Punkt: „Klimaneutralität bedeutet, dass durch einen Prozess oder Tätigkeit das Klima nicht beeinflusst wird.“ Klimaneutralität verfolgt also ein wertvolles Ziel – und hört sich irgendwie gut an, oder?

Übersetzen wir dies auf ein Gebäude und bei uns speziell auf ein Bürogebäude, so würde ich darunter verstehen, dass sämtliche Energie, die für Planung, Bau, Produktherstellung, Gebäudebetrieb und Abriss aufgewendet wird, klimaneutral hergestellt sein muss. Für den laufenden Gebäudebetrieb würde ich Heizenergie, Kühlenergie, Lüftungsenergie und Energie für das Kunstlicht zu den Energieformen zählen, die hinsichtlich ihrer Klimawirkungen zu neutralisieren wären. Hilfsmittel im Büro wie Kühlschrank oder EDV würde ich nicht dazuzählen, da sie keine Gebäudeeigenschaft darstellen. Um diese Geräte zu betreiben, sollten Mieterin oder Mieter grünen Strom einkaufen. Ich hoffe, Sie sind bis hierhin einverstanden. Eine wirklich offizielle Definition, welche Energie wie zu bilanzieren ist, gibt es nämlich nicht. Wenn wir aber den Klimawandel stoppen wollen, dann hilft in meinen Augen nur 100 % Konsequenz und keine Schönrechnerei. Ein bisschen klimaneutral hilft nicht.

Klimaneutralität im Gebäudebetrieb

Die Frage für den Gebäudebetrieb ist jetzt, wie können wir Energie auf unserem Grundstück so herstellen, dass sie regenerativ ist und uns so zur Klimaneutralität verhilft. Hier bieten sich Blockheizkraftwerke (BHKW) mit zum Beispiel regenerativem Rapsöl als Brennstoff, Photovoltaik- bzw. Windenergieanlagen oder zukünftig grüner Wasserstoff an. Ein Rapsöl-BHKW hat recht hohe Brennstoff- und Betriebskosten und der Landverbrauch für den Rapsölanbau ist nicht zu unterschätzen. Eine Windenergieanlage in Stadtlage bietet nicht annähernd die stabilen Windverhältnisse, die für eine relevante Energiemenge notwendig wären, ganz zu schweigen von den Problemen der Aufstellung der Anlage. Bzgl. einer grünen Wasserstoffwirtschaft fehlen mir noch die Fakten und die Betriebserfahrung. Sollte sich die Technik als wirklich klimaneutral mit guten Lebenszykluskosten erweisen, werden wir sie in künftige BOB-Bürogebäude einsetzen.

Photovoltaik im Einsatz

Als wirklich gute Methode verbleibt daher aktuell die Photovoltaik, die gerade im Bereich der Lebenszykluskosten herausragend ist. Wenn wir von einem mehrgeschossigen Bürogebäude ausgehen, dann ist die Dachfläche natürlich kleiner als die Nutzfläche. Da Photovoltaikmodule in senkrechter Aufstellung deutlich zu wenig Sonnenlicht einfangen können, ergibt die Montage an der Fassade nur dann Sinn, wenn die Module doch wieder gegen den Himmel ausgerichtet sind. Dies ist aber aufwendig und führt möglicherweise zu einer Verschattung des Innenraumes. Weniger Tageslicht ist gerade in der dunkleren Jahreszeit nicht erwünscht und führt dann zu mehr Beleuchtungsenergiebedarf.

Eine auf dem Dach aufgestellte Photovoltaikanlage sollte ungefähr 50 % der Betriebsenergie eines modernen mehrgeschossigen Bürogebäudes decken können. Von der Klimaneutralität sind diese herkömmlichen Büros also noch deutlich entfernt, zumal der Bau und die Herstellung der Bauprodukte für die klimaneutrale Bilanz insgesamt noch fehlen.

Energieeffizienz als Schlüssel zur Klimaneutralität

Und hier kommt natürlich die Energieeffizienz ins Spiel. BOB weist durch eine Vielzahl von Maßnahmen eine extreme Energieeffizienz auf. Wer wenig verbraucht, erreicht natürlich auch eher die Klimaneutralität im Betrieb. Bei einem vier- bis fünf -geschossigen BOB reicht die auf dem Dach installierte Photovoltaikanlage anders als beim herkömmlichen Bürogebäude tatsächlich aus, um die Betriebsenergie vollständig zu decken. Das ist auch der Grund, warum BOB ein rein elektrisches Gebäude ist. Auf der Baustelle nutzen wir grünen Strom und dabei natürlich nur solchen, der aus heimischen Gefilden kommt. Bei den Bauprodukten sind aber auch wir von BOB noch machtlos und suchen Hersteller, die sich auch der Klimaneutralität verpflichten.

Wirklich klimaneutral in allen oben definierten Lebensphasen ist BOB daher noch nicht. Und wenn BOB mit seinem Energieeffizienzrekord noch nicht klimaneutral ist, dann müssen die 1.000.000 Webseiten bei Google alle doch eher über einen Traum berichten, klimaneutral sein zu wollen. Oder machen wir etwas falsch?

Klimaneutralität messbar erreichen

Den Klimawandel interessiert herzlich wenig, was wir twittern, posten und in Broschüren gießen. Den Klimawandel interessieren Fakten. 50 % der CO2-Emissionen, die in der gesamten Menschheitsgeschichte von Menschen verursacht wurden, haben wir in den letzten 30 Jahren erzeugt. Das ist kein Schreibfehler. Es gibt 300.000 Jahre Menschheitsgeschichte und seit 1990 haben wir tatsächlich die Hälfte des menschengemachten CO2 emittiert. Wir, die wir jetzt von Klimaneutralität schreiben, waren also alle kräftig beteiligt. Lassen Sie uns daher Klimaneutralität unbedingt anstreben und lassen Sie uns darüber berichten, wenn wir sie ERREICHT haben und zwar nicht auf dem Papier sondern in der Wirklichkeit. Was Prospektwerte für eine Bedeutung haben, sollte sich herumgesprochen haben. Daher sollte bitte kein Gebäude vor Einzug und dem Messen der tatsächlichen Verbrauchsdaten als klimaneutral gefeiert werden. Das geht schlicht an der Sache vorbei – wie schon erwähnt, dem Klima ist das, was wir schreiben, völlig egal. Die einzige glaubwürdige Ausnahme: es handelt sich um ein Produkt, das wie BOB in Serie geht. Bauen Sie ein Monitoring auf, und messen Sie bitte nach, dann werden sie sehen, wie mühsam es ist, klimaneutral im Betrieb zu sein. Wir haben 10 Jahre dafür benötigt.

Und es ist noch ein wenig komplizierter

Ja, wenn alles so einfach wäre. Natürlich unterliegt regenerative Energie ob Wind- oder Sonnenenergie jahres- und tageszeitlichen Schwankungen. Und da auch der Energiebedarf eines Bürogebäudes jahres- und tageszeitlichen Schwankungen unterliegt, kann die auf dem Grundstück erzeugte elektrische Energie nur dann perfekt genutzt werden, wenn der Energiebedarf dazu passt. Und natürlich ist das nicht so. Der Bedarf für Beleuchtung oder Heizung ist dann am größten, wenn die Sonne nicht scheint, also zum Beispiel im Winter oder bei Dunkelheit. Diese Zeiten müssen durch Speicher ausgeglichen werden. Das ist einen eigenen Blogbeitrag wert, der demnächst folgt. Aber auch mit Speichern ist eine 100-prozentige Deckung des Energiebedarfs durch Photovoltaik nicht möglich. Ohne den Bezug von zertifiziertem grünem Strom kommt daher kein Bürogebäude aus, das klimaneutral sein will.

Und die Moral aus der Geschicht´? Schauen Sie genau hin, der Klimawandel wird das auch tun.

BOB Gründer Dr. Bernhard Frohn, Vorstand

Über den Autor Dr. Bernhard Frohn

Schon früh beschäftigte sich Dr. Bernhard Frohn mit dem Unternehmersein. Nach dem Studium des Maschinenbaus an der RWTH Aachen promovierte er im Bereich Photovoltaik und machte sich sofort selbständig. Als Energieeffizienzberater für Bestandsimmobilien und Neubauten verdiente er das erste Geld. Durch den Bau des eigenen Bürogebäudes, dem Balanced Office Building in Aachen, lernte er die Faszination für Architektur aber auch die Komplexität bei dem Bau eines Bürogebäudes kennen. Denn hier spielen nicht nur Themen wie Technik, Gebäudeorganisation oder gar Bauabläufe eine Rolle. Es sind vor allem die Themen des Unternehmertums und der Gestaltung neuer Arbeitswelten, die für Bernhard Frohn aus einem scheinbar simplen Büro eine echte Herausforderung in einer digitalisierten Welt machen. Daher schreibt er auf diesem Blog über ein breites Spektrum an Themen und hat viel Freude daran, neue zu entdecken.