Gesundes Arbeiten

Die Teeküche

11. Mai 2021 von Volker Zappe
aktualisiert am 
11. Mai 2021

Machen wir ein kurzes Experiment: Sie schließen die Augen und stellen sich die Büros vor, in denen Sie in den letzten zehn/zwanzig Jahren gearbeitet haben.  - Und nun denken Sie an den zentralen Kommunikationsort dort. Welcher war das? Der Ort der aktuellen, brandneusten Information und des frischen Kaffees. Tratsch, Klatsch und fachlicher Austausch gepaart mit schlimmen Nachrichten und freudigen Ereignissen. Ich vermute, es wird in den meisten Fällen die Teeküche gewesen sein …

Der zentrale Ort

Meine letzte Teeküche – bevor ich im BOB arbeitete, war ohne die Möbel der Küchenzeile mitgerechnet etwa 1,5 m2 groß, wobei das Wort „groß“ hier deutlich fehl am Platz ist. Der Raum hatte tatsächlich eine Tür, die nach innen zu öffnen war, immer offenstand und so auch noch einen Teil der Küche beanspruchte. Vor der Teeküche war ein kleiner Flur, von dem auf der gegenüberliegenden Seite ein Kleinst-Kopierraum abging und am toten Ende des Flurs sowohl die Damen als auch die Herren-Toilette untergebracht waren. Noch zu erwähnen: Hier gab es keinerlei Tageslicht, keine Sitzgelegenheit, viel Wärme und statt frischer Luft die Ausdünstungen der Mikrowelle, des Kopierers und anderes … Durch die Lage an diesen zentralen Funktionen war der Ort nicht ungestört. Nicht wenige Gespräche wurden durch drängende Anliegen des ein oder anderen missbilligend blickenden Passanten gekreuzt.

Und trotz all dieser widrigen Umstände, dieser kolossalen Fehlplanung war es der zentrale Ort der informellen Kommunikation. Hier knallten Sektkorken und wurde Geburtstagskuchen kredenzt, hier lachte das Kollegium genauso wie es sich kollektiv ärgerte. Und: natürlich sind hier auch viele Ideen für die Arbeit entstanden.

Kommunikation als Bedürfnis

Die meisten Menschen sind soziale Wesen und brauchen den Austausch. Diesen vermissen wir gerade in diesen Pandemiezeiten schmerzlich. Homeoffice hat seine Stärken, der fehlende persönliche Austausch ist aber die eklatanteste Schwäche, die dazu führen wird, dass eine Vielzahl der Arbeitsstunden in der Post-Corona-Ära wieder im Büro verbracht werden wird. Kommunikation hilft uns, Gedanken zu ordnen und auf neue Ideen zu kommen, sie sorgt aber auch dafür, dass wir uns besser kennenlernen, gegenseitig einschätzen können und als Team arbeitsfähig werden. Und auch das Dampfablassen ist wichtig. Kollegen- oder Chefschälte festigen auch das soziale Gefüge und wenn der Chef es gut macht, steht er mit den anderen zusammen und lacht auch Mal über sich selbst …

Räume sind Wertschätzung – oder auch nicht

Wenn es keinen anderen Ort als den oben beschriebenen gibt, dann wird eben dieser für den Austausch genutzt. Was sagt ein solcher Ort aber über die Unternehmenskultur und die Wertschätzung der Mitarbeitenden aus? Ideenlose Ecken am Abort sind ein Statement. Und wenn dem Unternehmen für die unternehmensinterne Kommunikation nicht mehr als 1,5 m2 wert sind, so ist das noch mehr eine klare Botschaft an das Team. Eine traurige Botschaft. Es erübrigt sich zu schreiben, dass das klassische Chefbüro und der Vorstandssitzungsraum in der beschriebenen Büroetage in üppigen Quadratmetern sonnenbeschienen und mit fulminantem Blick über die Großstadt ausgestattet waren.

Die richtige Botschaft senden

Das Büro der Zukunft räumt der informellen Kommunikation Raum ein und sendet eine klare Message an das Team: Das Unternehmen will eure Kommunikation und es will, dass ihr euch wohlfühlt! Damit ist klar, dass Kommunikationsorte keine Restecken sein können, sondern Räume mit attraktiver Lage und guter Ausstattung. Dabei geht es keinesfalls um Protz und viel Geld. Es ist vielmehr die Idee, die aus einem potenziell geeigneten Raum einen Treffpunkt macht. Treffpunkte lassen sich in vielen Büros schaffen und möglicherweise muss im Bestand dann eben ein Arbeitsraum dafür geopfert werden. Dem Team einen schönen Ort zu geben, ist Wertschätzung.

Treffpunkte in neuen Büros

Die Neuplanung eines Büros eröffnet mehr Möglichkeiten. Muss sie auch, denn die rasende Veränderung der Arbeitswelt durch Digitalisierung, Globalisierung und das ständige Entstehen neuer Geschäftsmodelle zwingt uns, Arbeitsweisen und Arbeitstechniken zu verändern. Das geht nicht allein in Zellenbüros und auch nicht in Restecken. New Work erfordert einen bunten Strauß von Maßnahmen, allem voran neue flexible Raumstrukturen, die eine große Vielfalt von Arbeit und Kommunikation zulassen. Aber eines steht fest: Für den fachlichen Austausch und das gemeinsame kreative Arbeiten müssen wir vielmehr Raum als früher schaffen. Im BOB-System der Flächenmodule haben wir hierfür zahlreiche Varianten vorgesehen. Technik ist hier erforderlich, vielmehr aber einfach Platz zur Entfaltung in unterschiedlicher Ausprägung. BOB-Kunden haben uns die Wirkung der neuen Treffpunkte übrigens bestätigt. Es werde dort jetzt viel häufiger die Gelegenheit für einen spontanen Austausch gesucht. Ein kurzes Feedback zu einem aktuellen Fall oder Problem beim Kaffee und schon kann es weitergehen: ohne Hürde, ohne Verabredungsaufwand und ohne Termin.

Die Hybride Arbeitswelt

Die Pandemie hat uns mit großer Geschwindigkeit in eine hybride Arbeitswelt geführt. Sie besteht für viele künftig aus Homeoffice, mobilem Arbeiten und Präsenztagen im Büro. Persönliche Kommunikation mit dem Team, die unterwegs fehlt, muss an den Tagen im Büro aufgeholt werden. Dazu gehört natürlich auch das soziale Miteinander, ohne das soziale Gruppen nicht erfolgreich sein können. Sollten die Beschränkungen der Pandemie also bald nachlassen, so werden viele Unternehmen mit der entstandenen hybriden Arbeitswelt schnell lernen müssen umzugehen. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht gerade mit Abwickler-Aufgaben betraut sind, werden vermutlich mit den Füßen über die Eignung ihrer Bürolandschaft für das hybride Arbeiten abstimmen.

Zurück zur Küche

Wie schon bemerkt, hat der formelle Austausch zentrales Gewicht. Eine Teeküche, die Sitzgelegenheiten bietet, schön gelegen ist, vielleicht sogar den Blick nach draußen zulässt, wird sich schnell zum zentralen Treffpunkt für den kleinen privaten Plausch etablieren, besonders dann, wenn es an solch einem Ort leckeren Kaffee oder ein Kaltgetränk gratis gibt. Apropos Küche, wir alle kennen das von Partys: Die Küchen sind immer voll, nicht nur wegen des Essens, sie sind traditionell Orte der Kommunikation. Also warum den Küchenbereich im Büro nicht etwas großzügiger gestalten? Vielleicht wird aus der Teeküche auch eine Küche, in der man gemeinsam kochen und auch essen kann. Unternehmen können mit netten Ideen hier viele positive Effekte erzielen.

Abriss ist auch eine Lösung

Das Bürogebäude, das ich eingangs beschrieben habe, stammt übrigens aus der Periode Ende der neunziger Jahre. Das Nebengebäude aus derselben Zeit, ist bereits im Jahr 2019 abgerissen worden. Es entsprach nicht mehr den Erfordernissen einer modernen Arbeitswelt …

Volker Zappe, Leiter Unternehmenskommunikation der BOB AG

Über den Autor Volker Zappe

Wie können wir Umwelt und Technik so miteinander in Einklang bringen, dass auch künftige Generationen nachhaltig und zufrieden leben können? Und wie gestalten die heute agierenden Menschen ihre Verantwortung für dieses Ziel. Diese Fragen begleiten Volker Zappe bereits seit mehr als drei Jahrzehnten. Zunächst arbeitete er als Ingenieur im Bereich Umwelt- und Landschaftsplanung, danach als Kommunikator und Autor in unterschiedlichen Bereichen. Seit acht Jahren wirkt er daran mit, die wunderbare Idee des Balanced Office Buildings und die damit verbundenen Themen einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Er schreibt hier über Nachhaltigkeit und Klimaschutz, neue Arbeitswelten und New Work, über Technikfragen und Wirtschaftlichkeit.